Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Dienstag, 30. Januar 2024

Was soll das Ganze? KI in der Malerei!

Jahrelang war KI ein Spezialistenthema. Aber nachdem ChatGPT und Co. Ende 2022 eines der brennenden Themen des Jahres war, erlebten viele Menschen dadurch zum ersten Mal, wie weit künstliche Intelligenz vorangeschritten ist. Auf den Displays ihrer eigenen Smartphones, Laptops oder auf ihren PC- Bildschirmen erlebten sie, wie sich mit KI-Werkzeugen wie Midjourney neben Texten auch Bilder und Videos in Sekundenschnelle auf völlig neue Weise erzeugen lassen. Plötzlich redet alle Welt über KI. In diesem Post versuche ich alle drei Teile meiner Miniserie abschließend unter dem Titel „Was soll das Ganze? KI in der Malerei!“ zu bewerten.


Malroboter ins Museum?


Angesichts der Möglichkeiten der Bildgeneratoren DALL-E und Midjourney wirken die von mir vorgestellten Malroboter AIDA und e-David etwas antiquiert und irgendwie aus der Zeit gefallen. Im Verhältnis zur Malerei liegen die Vorteile der Entwicklung von Malrobotern eindeutig auf Seiten der KI-Wissenschaftler. Der Bau und die Weiterentwicklung selbstlernender Malroboter powert in erster Linie den Bereich maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz, Engineering, Robotik, Computergrafik und Computerdesign. Es ist das Feld der Programmierer, Informatiker, Ingenieurswissenschaftler und Webdesigner.Der Entwicklung menschengemachter Malerei bringen die Malroboter so gut wie gar nichts. 

Selbst der Ansatz von e-David durch das Mensch/Maschine Collaborating weitere maschinengestützte kreative Schnittstellen innerhalb des breiteren Feldes der Medienkunst und der Malerei zu entwickeln, schränken den Künstler mehr ein als ihn in seiner Produktion zu fördern. Wenn die Medienkünstlerin und Malerin Liat Grayver sagt

Der Roboter arbeitet mit mir, nicht für mich“
ist sie in ihrem künstlerischen Schaffen abhängig vom Entwicklungsstand der KI und den technischen Umsetzungsfähigkeiten des Roboters. Teilweise arbeitet sie dem Roboter in der Verbesserung von dessen Programmanweisungen zu. Das würde ich als Behinderung und Einschränkung meiner eigenen künstlerischen Freiheit betrachten.

Portrait eines Malroboters | Foto Fred Tille

Ist eine Maschine in der Lage, künstlerisch zu denken?


Gerade bei den Malrobotern kommt es aber darauf an, den Prozess der semantischen Segmentierung voranzutreiben, um dem Rechner zu helfen visuelle Informationen zu verstehen. Bis es soweit sein könnte, sind aber noch sehr viele Hürden zu überwinden. Fraglich ist jedoch, ob Algorithmen im Bereich der Kunst jemals in der Lage sein werden, wirklich Neues unter Einbeziehung der Reflexion des Zeitgeistes, der sozialen und gesellschaftlichen Umstände und Denkweisen und auch unterbewusster Ebenen zu produzieren. Das ist das, was Künstler und Künstlerinnen oder Kunst eigentlich auszeichnet. 

Obwohl ich es für eine Sackgasse halte, werden die Forscher an der Vervollkommnung ihrer Malroboter wahrscheinlich weiterarbeiten, da sie im Kern ihre Erkenntnisziele auch ohne die Malerei oder außerhalb der Malerei verfolgen könnten. Deshalb würde ich die Malroboter in Bezug auf die Entwicklung menschengemachter Malerei ins Museum stellen.


Das Modell Lipski; KI ist meine neue Muse. Der Rechner als Partner des Malers


Am Beispiel des in Berlin lebenden und arbeitenden Malers Roman Lipski wird deutlich, wie der Künstler im Dialog mit KI die Vorschläge des Rechners als Anregung für von ihm als Maler eigenständig und eigenhändig gemalten Bilder verwendet. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Malrobotern AIDA und e-David. Dieser hier beschriebene produktive Austausch zwischen KI und Maler ist für mich die vielversprechendste Variante der Nutzung von KI in der Malerei. Allerdings muss die Kunst die derzeit überwiegende spielerische und unkritische Phase im Umgang mit KI überwinden und Künstliche Intelligenz als Werkzeug durch menschliche künstlerische Intelligenz hinterfragen. 

Ein Algorithmus ist in Arbeit. Screenshot YouTube | aus  Unfinished

Der Kreis schließt sich. Vom Malroboter zu ChatGPT und Co.


DALL-E z.B. ist ein Deep-Learning-Modell von OpenAI, mit dem man digitale Bilder anhand von Beschreibungen erzeugen kann. Auf der Website von DALL-E ist ein Bild von einem Astronauten zu finden, der sich auf einem tropischen Planeten auf einer Sonnenliege entspannt. Das dahinter stehende Unternehmen Open AI will damit die Arbeitsweise seines Onlinetools veranschaulichen: Das Erstellen eines Bildes nur mithilfe eines Beschreibungstextes. 

Wenn verbesserte Versionen Textanfragen deutlich besser verstehen und Bilder erzeugen, die exakt dem eingetippten Text entsprechen, eröffnen sich für Maler unglaublich viele Möglichkeiten deutlich einfacher und schneller, seine Vorstellungen in echte Bilder umzuwandeln. Diesen Output können die KünstlerInnen entweder als Endprodukt im Bereich der digitalen Malerei oder als Ausgangsbasis für analoge Malerei verwenden.

Damit wird der Rechner zum dienenden Partner, zur digitalen Muse des Malers. Künstliche Intelligenz wird dann als Werkzeug der Kunst genutzt. Eben sowenig wie damals die Fotografie bedeutet diese Künstliche Intelligenz auch heute nicht den Tod der Malerei. Kein malender Künstler wird dadurch arbeitslos oder gar überflüssig werden.

Kunst im Dialog mit KI. Meisterwerke der Sammlung Burda im Dialog mit künstlichen Wesen, Baden-Baden, 2022/2023 | Foto: Fred Tille

Fazit: KI in der Malerei!


Zusammenfassend und abschließend lässt sich feststellen: In Bezug auf die Entwicklung der menschengemachten Malerei würde ich die Malroboter ins Museum stellen. Die neuesten Bildgeneratoren eröffnen mit ihren Onlinetools der Malerei ungeahnte Möglichkeiten. 

Gerade die jüngere Künstlergeneration, die mit Apple und Microsoft sozialisiert wurde, hat keinerlei Berührungsängste mit den wachsenden digitalen Möglichkeiten. Sie bezieht die Algorithmen und Onlinetools quasi als selbstverständliches Werkzeug in ihre Arbeit mit ein. Einige betrachten Kollege Roboter sogar als ihre Muse zur Steigerung der eigenen Kreativität. Das gilt in diesem engeren Sinne zunächst nur für die Malerei. 

Für die Konzeptkunst z.B. war die kritische und kreative Anwendung von KI schon immer ein Thema, wie das Projekt Tulpen und Bitcoins der Künstlerin Anna Ridler belegt. Auf jeden Fall dringt die KI immer mehr in alle Bereiche der Kunst und der Kreativwirtschaft vor. Midjourney, DALL-E und Co erzeugen mit wenigen Begriffen Bilder, Zeichnungen, Flyer, Produktpräsentationen, UX-Designs für Webseiten oder 3D-Renderings. Dafür braucht es lediglich etwas Übung bei der Erstellung und der Eingabe der Prompts. Die davon betroffenen Berufsgruppen und Dienstleister können davon profitieren, aber auch größerem Konkurrenzdruck ausgesetzt sein.

Im gesamtgesellschaftlichen Bereich wachsen auch durch die Einfachheit der Anwendung der Bildgeneratoren die Gefahrenpotentiale durch missbräuchliche oder kritiklose Anwendung.

Leben 3.0, Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz, Digitale Collage | Fred Tille 2024

Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz


Künstliche Intelligenz kann den Menschen im Endeffekt wahrscheinlich nicht komplett ersetzen, weil KI einfach die konkrete Erfahrung der Welt fehlt. Vielleicht will sie den Menschen auch gar nicht ersetzen oder die menschliche Welt verstehen, weil die Allgemeine Künstliche Intelligenz im Endstadium ihrer Entwicklung bei mangelnder menschlicher Wachsamkeit und gegensteuernder Handlungsbereitschaft völlig leidenschaftslos die Kontrolle übernehmen könnte. Hierzu zum Abschluss ein Zitat von Irving J. Good, dem Visionär Künstlicher Intelligenz. Bereits im Jahr 1965 , also vor 59 Jahren, formulierte er:

Die erste ultraintelligente Maschine ist die letzte Erfindung, die der Mensch je machen muss, vorausgesetzt, die Maschine ist gutmütig genug, um uns zu sagen, wie man sie unter Kontrolle behält.“


Sämtliche Fotos: Fred Tille 

Weiterführende Links / Related Links:

Many links can also be selected in English

Semantische Segmentierung (1)

Eine Zusammenstellung auf Wikipedia mit einer
beispielhaften mathematischen Beschreibung.
Also in English. 

Semantische Segmentierung (2)

Guter Überblick auf der Homepage von IBM unter der
Fragestellung: Was ist semantische Segmentierung? 

Originalwebsite von ChatGPT

Only in English.

Originalwebsite von DallE3

Only in English. Mit einem Button: Try ChatGPT

Link zur Zeitschrift PC-Welt

Mit dem Bild von einem Astronauten, der sich auf einem tropischen Planeten auf einer Sonnenliege entspannt. Außerdem ein Beitrag zum Thema: KI als Künstler: DALL-E, Midjourney & Co. im Vergleich

Originalwebsite von Midjourney

Only in English. 

Tulpen und Bitcoins. Ein Projekt von Anna Ridler

Die Künstlerin stellt in ihrem Projekt Tulpen in verschiedenen Blütephasen und Farbübergängen dar und bringt dadurch das historische Phänomen der niederländischen Tulpenmanie in Verbindung mit den heutigen Spekulationen über die Blockchain-Technologie. Dazu verwendet die Künstlerin für die Arbeit einen Computer Vision Algorithmus, der sich die blühenden und vergehenden Blumen »vorstellt«. Ein gutes Beispiel für Computer Vision und Semantische Segmentierung.
Also in English. 

Mosaic Virus von Anna Ridler im ZKM Karlsruhe

In den 1630er-Jahren stieg die Besessenheit von exotischen und seltenen Blumen durch die Niederlande und Europa und verursachte eine Finanzblase. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf ein Virus, das Schwankungen in der Blütenblattfarbe hervorruft

Freitag, 5. Januar 2024

Ten years after! 10 Jahre MetropolisBlues. 2014-2024


 

In den letzten Jahren musste ich zum Anfang des Jahres immer mit Katastrophenmeldungen starten. Auch 2023 war kein gutes Jahr. Krisen, Krieg und Klimawandel beschäftigten die Menschen. Hinzu kamen tiefgreifende Transformationen, die durch die fortschreitende Digitalisierung oder dem kometenhaften Aufstieg einiger Anwendungsbereiche künstlicher Intelligenz verursacht wurden und die sich für viele Menschen als neue belastende Herausforderungen im Alltag auswirkten.

Wie damit umgehen?“, fragen sich in diesen Tagen viele. Auf diese Fragen möchte ich diesmal zum Jahresauftakt ganz bewusst nicht eingehen. Stattdessen möchte ich mit einem - zumindest für mich – erfreulichen Ereignis das Jahr beginnen. Vor 10 Jahren, am 05. Januar 2014, startete ich meinen privaten Kunstblog MetropolisBlues mit dem Post Der Schwimmer. Inzwischen sind immerhin 54 Posts erschienen, die über die gesamte Zeit 195.614 mal (Stand: 31.12.2023) aufgerufen wurden. 

Deshalb werde ich über das Jahr verteilt in verschiedenen RetroPosts auf das Jubiläum von MetropolisBlues hinweisen. Einen Ausschnitt aus meinem Bild Der Schwimmer habe ich als Header für 2024 gewählt und auch den Schrifttyp für meinen Blogtitel habe ich geändert.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern für ihre persönliche Lebenssituation ein gutes neues Jahr. Hier nun aber noch einmal der RetroPost vom 05. Januar 2014. Der Schwimmer gehört zu meiner Serie Bilder aus der Zeit um 5 nach 12, die ich in meinem Blog in lockerer Folge vorstelle. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen.

Der Schwimmer stimmt auch nicht gerade optimistisch, aber das entspricht ja auch der Grundidee von MetropolisBlues: Wie kann Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche aussehen?

Der Schwimmer | Acryl a. Lwd. | B 160cm x H 200cm zusammengesetzt aus 4 Tafeln je 80x100cm | 2012 | Foto: Fred Tille

Sonntag, 5. Januar 2014

Der Schwimmer

Wo endet dieses Meer? Wann ist wieder Land in Sicht? Der Ozean mit seinem nie unbewegten Wasser. Veränderung und Neuanfang. Der undurchsichtige Zusammenhang unserer modernen Lebenswelt ist ein merkwürdiger und beunruhigender Vorgang. In einer Zeit, in der „richtig und falsch“ oft nicht mehr so leicht zu deuten sind, fehlt vielfach Orientierung. Wir sind immer mehr auf uns selbst zurückgeworfen. Einen eigenen inneren Kompass zu entwickeln, der „uns auch auf hoher See“ leitet, bedeutet sich auf eine Entdeckungsreise einzulassen. Sind wir dabei noch auf einem guten Weg? Oder schwimmen wir meilenweit im Kreis? Wo endet dieses Meer? Wann ist wieder Land in Sicht?

Wer Lust hat ,kann noch einmal in die Posts von 2014 hineinschauen. Hier die Direktlinks mit dem Header von 2014:




Montag, 15. Dezember 2014

60 Jahre Godzilla | Zwischen Bikini-Atoll und Fukushima


Dienstag, 30. September 2014

Twelve Years a Slave | Aktualisierung


Sonntag, 31. August 2014

Apollon 13 - Sunshine comes softly | Alles in Ordnung, Kinder? Teil 2


Mittwoch, 30. Juli 2014

Alles in Ordnung, Kinder?


Sonntag, 29. Juni 2014

30 Jahre 1984 | George Orwell lässt grüßen


Freitag, 30. Mai 2014

Vorher, Dabei, Nachher


Mittwoch, 30. April 2014

"Only Lovers Left Alive"


Mittwoch, 2. April 2014

Konflikt


Montag, 17. März 2014

Geplanter Zufall und politische Positionierung


Samstag, 1. März 2014

Durchblick


Sonntag, 16. Februar 2014

Art War


Samstag, 1. Februar 2014

Weiter, immer weiter.


Mittwoch, 22. Januar 2014

Das Zeitalter der Fische


Sonntag, 5. Januar 2014

Der Schwimmer