Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Mittwoch, 30. Juli 2014

Alles in Ordnung, Kinder?


Review auf eine themenbezogene Ausstellung. Teil 1

5 Künstler, 1 Thema und 100 Worte.


Alles in Ordnung, Kinder?
Warum kommt der Einzelne in unserer Gesellschaft oft nicht zurecht? Millionen von Kindern leben heute unter katastrophalen Bedingungen, als Arbeiter, Soldaten, Prostituierte. Geschichte der deutschen Kindheit: Generationen der Angst, des Verdrängens und Vergessens. Aus der Pubertät in die Jugendarbeitslosigkeit . Universale Blicke auf Lebensbilder. Wo findet sich der Mensch wieder, in einer innerlich wie äusserlich immer unübersichtlicher werdenden Welt?

(Quelle: Ausstellungsbroschüre von Kulturpunkt STILUS e.V.)

Fünf Künstler nähern sich diesem so umrissenen Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ihre jeweiligen künstlerischen Ansätze haben sie versucht konzentriert in ca. 100 Worten zusammenzufassen.

 
Gabriele Tille-Tagge 
Geboren in Berlin-Wedding.
Lebt und arbeitet in Berlin und Angermünde.
Beschäftigt sich v.a. mit street photographics
und sozialkritischer Fotografie.
Hat als ihr Hauptthema den benachteiligten
Menschen in einer Zeit der postmodernen Unverbindlichkeiten
und Beliebigkeiten.
Ausstellungen in Berlin und Brandenburg.


Gabriele Tille-Tagge | Jaime | Fotografie | B 40cm x H 30cm | 2013


Jugend ohne Perspektive - junge Menschen in Spanien


Eviva Espagña singen jedes Jahr tausende
Urlauber in ihrem Lieblingsreiseland.
Kaum einer denkt daran, dass die Sonne, die für
sie Tag und Nacht zu strahlen scheint, für viele
Spanier, v.a. die jungen, vielerorts nur selten
zu sehen ist. Denn inzwischen sind 27,2% der
Spanier arbeitslos, bei den Jugendlichen unter
30 sind es 55,9%. Das ist nach Griechenland die
höchste Quote innerhalb Europas.
Viele junge Menschen haben bereits resigniert,
andere wandern aus und finden auch in ihrem
neuen Zuhause keinen ihrer Ausbildung adäqua-
ten Job. Prognosen sagen voraus, dass sich die
Lage zumindest mittelfristig nicht zum Besseren
ändern wird. Das trifft damit vor allem auch die,
die heute Kinder sind.
Für sie ist nichts in Ordnung.
Eine verlorene Generation?



Dietmar Steinkamp 
1961 in Osnabrück geboren.
Lebt und arbeitet in Schönwalde-Glien.
Absolvent der HdK Berlin, Senior Art Director.
Ölmalerei, Grafik, Electronic & Fractal Arts.
Seit 1980 Ausstellungen in ganz Deutschland.

Dietmar Steinkamp | Drei Generationen "German Angst" | Digitaldruck und Öl auf Lwd. | 
B 80cm x H 120cm | 2013


German Angst: 1931 – 1961 – 1991


Drei Generationen „German Angst“. Wenn in einer
Kindheit etwas nicht in Ordnung ist, so geht das
fast immer mit Ängsten einher. Die Medizin geht
neuerdings davon aus, dass Angst vererbbar ist.
Kann es sein, dass eine Schuld über Angstgene
bis in das dritte und vierte Glied hinein einen Fluch
bewirkt? Wie schon die Bibel androht? Dann wird
bei Deutschlands Kindern nur ganz langsam alles in
Ordnung kommen.
Drei Werke für drei Generationen deutscher Kinder.
Die Generation von 1931 erlebte den Vater als
NSDAP-Karrieristen, der seine jüdische Vermieterin
zur rechtzeitigen Ausreise bewegt und Migräne
vor „politischen Aktionen“ bekommt.
Frieden findet sie im Vergessen des Alzheimers.
1961er wachsen in den Bedrohungen
des Wirtschaftswunders auf. Benzol und Blei im Benzin,
Schwefeldioxid frisst den Wald, Kleber, Plaste,Farben
und Fallout, alles dünstet in die Kinderpsychen hinein.
Allgegenwärtige atomare Vernichtung.
Zukunftsangst schürt den Ehrgeiz der 1991er.
Eine rasant anwachsende Weltbevölkerung konkurriert mit
einem schrumpfenden Häuflein von deutschen Kindern,
denen sukzessive die Ressourcen ausgehen. Wo die
Möglichkeiten im Realen immer begrenzter scheinen, lockt
Virtualität und Glamour.

Die Ausstellung fand vom 22.09.2013 bis 20.10.2013 in der Schinkelkirche von Petzow/Werder statt.

Blick in die Ausstellung mit Triptychon von Dietmar Steinkamp |  Foto: Fred Tille

Blick in die Ausstellung mit Fotowand von Gabriele Tille-Tagge | Foto: Fred Tille



Copyright für Texte, Werkabbildungen, Fotos bei den Künstlern 

Weiterführende Links:

Ihr raubt uns die Zukunft!
Spiel mit dem Feuer
German Angst