Zum Gallery Weekend Berlin vom 01.- bis 03. Mai 2015 eröffnete die König Galerie mit einer Ausstellung von Katharina Grosse ihre neuen Räumlichkeiten in der umgebauten St. Agnes Kirche in Berlin-Kreuzberg.
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Katharina Grosse in
Berlin. Blick in die Ausstellungshalle der
KÖNIG GALERIE | St.
Agnes.
The
Smoking Kid
©
Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2015
Courtesy
of the artist and König Galerie
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Kunst mit Glockenturm
Die Galeristen Johann und Lena
König haben nach dem Erwerb vom Erzbistum Berlin im Jahr 2012 durch
die ST. AGNES GmbH den denkmalgeschützten Gebäudekomplex einer
neuen Nutzung zugeführt. Kernstück des Umbaus ist die ehemalige
Kirche mit Kapelle und Turm, die zu einer wahren Kathedrale der Kunst
geworden ist.
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Der Turm von St. Agnes
mit daran anschließender Kapelle
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Durch diesen
unscheinbaren Eingang im Turm (linkes Foto) gelangt der Besucher über
eine Treppe in den ersten Stock. Von dort betritt man die riesige
Ausstellungshalle (s. nächstes Bild).
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Der umgebaute große
Kirchenraum. Spektakuläre Größe: Länge: 35 Meter, Breite: 12
Meter, Höhe: 15 Meter auf einer Fläche von 800 m².
Eine Kathedrale
der Kunst ist entstanden.
The
Smoking Kid
©
Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2015
Courtesy
of the artist and König Galerie
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Die Lage dieser neuen Ausstellungshalle
ist absolut ideal. Sie befindet sich in der geografischen Mitte
Berlins im Bezirk Kreuzberg im Quartier der südlichen Friedrichstadt
mit Berlinischer Galerie und Jüdischem Museum, mit dem
Zeitungsviertel, einem Atelier- und Veranstaltungshaus und einem
Galerienhaus, um nur die wichtigsten zu nennen. An diesem Gallery
Weekend führte an der Eröffnung der ehemaligen Kreuzberger Kirche
als Megagalerie kein Weg vorbei. Die Kunstinteressierten stürmten
die Großgalerie regelrecht und besichtigten die neuen Räumlichkeiten
mit den Werken von Katharina Grosse.
Katharina Grosse, 1961 in Freiburg im
Breisgau geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Arbeiten finden
internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung in zahlreichen
Gruppenausstellungen und Biennalen. Katharina Grosse ist ständiges
Mitglied der Akademie der Künste, Berlin und seit 2010 Professorin
für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Aktuell ist sie auch
mit einem Beitrag auf der Biennale di Venezia 2015 vertreten.
The Smoking Kid
Unter dem Titel The Smoking Kid
zeigt Grosse sechs großformatige, in Sprühtechnik hergestellte
aktuelle Leinwandarbeiten. Ihre riesigen in raumgreifender Farbigkeit
ausgeführten Bilder stehen im Kontrast zu der reduzierten, grauen
Architektur im Stil des Brutalismus. „Das Making-of der Werke ist
für den Betrachter kaum mehr logisch nachvollziehbar. Vielmehr
zeigen sich in der Fläche oder auch zwischen den Bildschichten
‚Risse‘ und ‚Brüche‘, die die Wahrnehmung irritieren und
Fragen nach dem strukturellen Zusammenhang zwischen den wie disparat
ins Bild gesetzten Elementen provozieren“ (Quelle: Barbara
Buchmaier, zitiert nach Website der GALERIE KÖNIG | St. Agnes).
Einzelansichten dieser eindrucksvollen Arbeiten sind auf der Website der GALERIE KÖNIG | St. Agnes zu sehen.
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Blick in die
Ausstellung.
The
Smoking Kid
©
Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2015
Courtesy
of the artist and König Galerie
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Die einzelnen Werke tragen keine Titel.
Im Gegensatz dazu sind ihre assoziationsreichen Ausstellungstitel
typisch für Grosse. So war auch der Titel einer Münchner
Ausstellung Cool Puppen einem Graffiti entnommen, das die
Künstlerin aus dem Augenwinkel irgendwo auf einer Wand gelesen
hatte. Sie übernahm den sinnlosen Spruch. Trotz der Vorliebe für
narrative Ausstellungstitel, in denen Sehnsucht nach einer
Vorstellungswelt anklingt, kommen ihre Arbeiten ohne Symbole,
Verweise und Dokumente aus.
Das begehbare Bild als Erweiterung
der Malerei
Für Katharina Grosse hat Malerei keine
Grenzen und ihre Arbeiten folgen keinen gestalterischen Grundsätzen
von Figur und Grund, beschäftigen sich aber mit Fragen der
Wahrnehmung und Irritation beim Betrachter. Grosse will das
Verhältnis von Farbe und Malgrund radikal neu definieren und diese
subjektive malerische Radikalität versteht Grosse durchaus als
politisches Element ihrer Arbeit.
Katharina Grosse lässt Farbe möglichst
eigenmächtig expandieren und bringt sie auch auf Gründe wie Erde
und Pflanzen, Möbel, Kleidung und Architektur auf. Diese Aneignung
und Eröffnung von zusätzlichen Räumen durch die Farbe wird als die
Befreiung der Farbe aus der Einengung in die Zweidimensionalität des
klassischen Tafelbildes gefeiert. Die befreite Farbe entgrenzt sich
endgültig in einem hierarchiefreien, chaotischen Raum.
Damit erweitert Katharina Grosse die
Malerei. Ihre vielfarbige Giga-Installation Inside the Speaker 2014/2015 im Düsseldorfer Kunstpalast ist hierfür ein anschauliches
Beispiel. Hier hatte sie 40 Kubikmeter Erde, 560 Meter laufende
Stoffbahnen in einer Breite von fünf Metern und 350 Europaletten zu
einem Gesamtkunstwerk verarbeitet.
Diese Installation war nicht nur zum
Ansehen da, sondern man durfte sie auch durchwandern, also gleichsam
das "Bild" betreten und das Kunstwerk zu Fuß erkunden. Am
Ende wurde das begehbare Tableau recycelt. Dass die meisten
Installationen dieser Art ein Verfallsdatum haben und nach rund fünf
Wochen verschwinden, berührt die Künstlerin nicht weiter: "Das
ist gut so, dann können neue Ideen einziehen."
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Blick in die
Ausstellung.
The
Smoking Kid
©
Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2015
Courtesy
of the artist and König Galerie
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Was kommt nach der Befreiung der
Farbe?
Die Farbe ist das wichtigste Element in
der Kunst von Katharina Grosse. „Ich kann im Denken grenzenlos
sein, alles ist möglich“, sagt Grosse. Ein bestimmtes Ziel hat sie
zwar nicht, sie selbst ist auch ständig auf der Suche. Einfach
weiterentwickeln möchte sie sich - "und etwas ganz Tolles
machen in der Malerei... Ich glaube, es fängt erst an." Diese
Worte formulierte Grosse in einem
Interview 2005 (Quelle: art-9/05).
Inzwischen sind fast zehn Jahre vergangen und die Farbe ist immer
noch das wichtigste Element in der Kunst von Katharina Grosse. Ein
langer Anfang. Das birgt in sich - unabhängig von der hohen
künstlerischen Qualität ihrer Arbeiten - die Gefahr einer
Wiederholungsstarre, einer Ansatzerschöpfung und einer gewissen
Inhaltsneutralität. Damit befindet sie sich in prominenter
Gesellschaft. Auch Georg Baselitz, der im Prinzip seit 1969 seine
Bilder verkehrt herum malt, hat so für sein malerisches Werk einen
einzigartigen Wiedererkennungswert geschaffen. Dieses Prinzip der
Sujetumkehr ist zu seinem Markenzeichen geworden ähnlich wie bei
Katharina Grosse die Befreiung der Farbe. Mit ihren „Markenzeichen“
sind Baselitz und Grosse übrigens mit Beiträgen auf der Biennale di
Venezia 2015 vertreten. Dazu mehr in meinem nächsten Post.
So hat Grosse für die 56. Venedig
Biennale unter dem Titel Untitled Trumpet eine riesige
begehbare Malerei/Installation in den Arsenale - Hallen realisiert.
Wie lässt sich Grosses Untitled Trumpet mit dem diesjährigen
Leitthema der Biennale All The World’s Futures
interpretieren? Um der Künstlerin gerecht zu werden eigentlich nur
dadurch, dass jeder Betrachter seine Assoziationen zum Kunstwerk im
Dialog mit dem Rahmenthema abgleicht.
Für viele vom Rundgang durch die
internationale Ausstellung erschöpfte Besucher ist die Farbinsel
einfach ein willkommener Ort der Erholung und Kontemplation. Andere
sehen All The World’s Futures durchschimmern, indem sie
Schutthaufen, Zerstörung, Krieg und Leichentücher assoziieren. Oder
verweist Untitled Trumpet nach all der Weltrettungskunst und
zentraler Marx-Lesung aus dem „Kapital“ nur auf pure Ästhetik
als Gegenpart zur Politkunst? Anything goes!
Hauptsache die Farbe ist frei!
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Katharina Grosse mit
der Installation UNTITLED TRUMPET
in den Arsenale-Hallen der
Biennale di Venezia 2015. Detailansicht. Foto: Fred Tille
©
Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2015
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Die Ausstellung The
Smoking Kid fand vom 02. Mai bis 21. Juni 2015 in der
KÖNIG GALERIE | St. Agnes statt.
Sämtliche Fotos: Fred Tille
Die Veröffentlichung der
Ausstellungsansichten zu The
Smoking Kid
erfolgte mit freundlicher Genehmigung
der KÖNIG GALERIE | St. Agnes
Weiterführende Links: