Unter dem Titel All the World´s
Futures findet vom 09. Mai bis zum 22. November 2015 die 56.
Biennale di Venezia statt. Die Biennale ist ein Festival der Kunst
und die wichtigste Weltkunstschau des Jahres. Okwui Enwezor ist der
Kurator der internationalen Ausstellung All the World´s Futures,
die im Zentralpavillon der Giardini und im Arsenale stattfindet.
Gezeigt werden über 700 Werke von 135 Künstlern, die den Zustand
der Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfassen sollen.
Wenn die Gondeln Künstler tragen
Vom 15.07. bis 24.07.2015 habe ich die
Biennale di Venezia besucht. Zunächst möchte ich euch Impressionen aus meinem Rundgang durch die
Hauptausstellung in den Arsenale-Hallen vorstellen. Dabei folge ich
räumlich dem angebotenen Ausstellungsparcours und illustriere ihn
mit den entsprechenden Bildern. Bei den meisten Künstlern habe ich
weiterführende Linkempfehlungen eingefügt. Meine Blickwinkel und
die Auswahl sind total subjektiv und erheben keinen repräsentativen
Anspruch. Dennoch- so hoffe ich- könnt ihr euch ein Bild von der
Biennale machen.
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Wegweiser zum Arsenale
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700 Kunstwerke, 136 Künstler, 89
Nationenbeiträge, 44 Colleteral-Events. Wie bewältigt man dieses
Kunstlabyrinth in Venedig?
Für diese Frage
hat Enwezor folgenden Ratschlag bereit: „Ich sage immer, man kann
die Venedig-Biennale nicht sehen, man muss sie scannen. Ich wüsste
nicht, wie man das anders machen soll. Ansonsten empfehle ich die
alte DOCUMENTA-Formel: drei Tage einplanen.“
Aus eigener
Erfahrung kann ich ergänzen: sechs bis neun Tage sind besser. Und
gute Vorbereitung ist alles. Man muss mit einer „must have
seen-Liste“ in die Ausstellung starten. Und die Augen offen halten.
Es gibt viele unerwartete Kunstüberraschungen über die ganze
Lagunenstadt verteilt.
Gibt es mehr als eine Zukunft für
unsere Welt?
Der Titel All
the World´s Futures suggeriert, dass es mehr als eine Zukunft
für unsere Welt gibt. Der Titel soll wie ein Rahmen funktionieren,
innerhalb dessen sich die Künstler artikulieren können. Enwezor
spricht von einer künstlerischen Auseinandersetzung über die „Lage
der Dinge.“ Dahinter steckt die Absicht des Kurators zu erkunden,
ob die Zukunft unseres Planeten aus der Sichtweise Afrikas, Asiens,
Amerikas und Europas zu denken ist. Dazu hat er Künstler aus allen
Weltregionen eingeladen.
Die Welt von heute
scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit,
Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und
Gewalt geprägt. All the World´s Futures ist der Versuch über
Trümmer und Überreste nachzudenken. Damit nimmt sich die Biennale
der Übel der Welt an und ist eine explizit politische
Kunstausstellung.
Düsterer Auftakt
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Der Eröffnungsraum
des Arsenale ist abgedunkelt. Macheten-Blumensträuße in Kombination
mit Neonarbeiten von Bruce Naumann empfangen den Besucher. Die
wechselseitig aufleuchtenden Neonbotschaften Tod, Schmerz, Krieg
tauchen den Raum in flackerndes, unruhiges Licht, in dem die Macheten
aufblitzen. Der Algerier Adel Abdessemed hat Macheten zu Sträußen
zusammengesteckt, auf dem Boden verteilt und nennt das Werk Nympheas,
frei nach Monets Seerosenbildern. Obwohl die Macheten in scheinbar
harmlose Blumensträuße verwandelt wurden, entsteht eine Atmosphäre
eingefrorener latenter Gewalt. Ein düsterer Auftakt, der sich in den
nächsten Räumen fortsetzt.
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Neoninstallation
von Bruce Naumann. Human Nature, Life Death, Know, doesn´t Know,
1983
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Macheten und Kanonen
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Die Kanone von
Pino Pascali setzt das kriegerische Entree fort. Im Jahr 1965 hat der
Künstler eine Serie von Arbeiten zum Thema Waffen angefertigt.
Pascali hat dafür durch die Montage von Spielzeug, Resten von
Hydraulikschläuchen und Metallschrott Skulpturen geschaffen, die von
der Erscheinung zu Waffen wurden. Waffen sind Träger des Todes.
Indem Pascali sie aus Schrottstücken und Spielzeug erschafft, sind
diese Waffen aber unbrauchbar, obwohl sie täuschend echt wirken. Mit
diesem Verfremdungseffekt konterkariert er Militarismus und hohlen
Heldenpathos. So besteht die hier gezeigte Mobile Kanone (Cannonne
Semovente) aus Holz und Altmetall. Die Cannonne Semovente
ist zwar auf die aufgetürmten Trommeln, den Muffled Drums, von
Terry Adkins gerichtet, könnte sie aber nicht wirklich unter
Beschuss nehmen. Damit wird das kriegerische Entree ironisch aber
dennoch kritisch etwas gebrochen. Im Hintergrund ist bereits der
Durchgang zu Katharina Grosses Installation Untitled Trumpet
zu sehen.
Pino Pascali,
Cannonne Semovente, Skulptur aus Holz, Altmetall, 1965
Terry Adkins,
Muffled Drums, 2003
Untitled Trumpet |
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Für die 56. Venedig Biennale hat
Grosse unter dem Titel Untitled Trumpet eine riesige begehbare
Malerei/Installation in den Arsenale - Hallen realisiert.
Untitled Trumpet ist ein
Kunstraum, der aus besprayten Stoffbahnen und Schuttbergen gestaltet
ist. Wie bei Grosse üblich erfassen die großflächigen Farbverläufe
alle Bestandteile der Installation.
Grosses Beitrag bildet nach dem
düsteren Auftakt in den vorhergehenden Räumen eine überraschende
Farbinsel.
Wie lässt sich Grosses Untitled
Trumpet mit dem diesjährigen Leitthema der Biennale All The
World’s Futures interpretieren? Um der Künstlerin gerecht zu
werden eigentlich nur dadurch, dass jeder Betrachter seine
Assoziationen zum Kunstwerk im Dialog mit dem Rahmenthema abgleicht.
Für viele vom Rundgang durch die
internationale Ausstellung erschöpfte Besucher ist die Farbinsel
einfach ein willkommener Ort der Erholung und Kontemplation. Andere
sehen All The World’s Futures durchschimmern, indem sie
Schutthaufen, Zerstörung, Krieg und Leichentücher assoziieren. Oder
verweist Untitled Trumpet nach all der Weltrettungskunst und
zentraler Marx-Lesung aus dem „Kapital“ nur auf pure Ästhetik
als Gegenpart zur Politkunst? Anything goes!
Hauptsache die
Farbe ist frei!
Im Kontext mit
Kanone, Macheten und den Neonbotschaften Life, Death, Love, Hate,
Pleasure und Pain empfand ich persönlich für die
Installation eher einen Bezug zum Leitgedanken der Ausstellung. Die
Schuttberge erinnern an Krieg, Erdbeben, Zerstörung. Eine Welt aus
den Fugen. Der Farbüberzug symbolisiert für mich die in der
westlichen Welt häufig anzutreffende Verdrängung der globalen
Problemlagen bzw. eine oberflächliche Betrachtungsweise der Lage der
Dinge. Farbe übertüncht und verharmlost bewusst den Ernst der Lage.
Die Freiheit der Farbe, die Ästhetisierung von Zerstörung als
Antwort auf die drängenden Probleme unserer Zeit?
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Hauptsache die
Farbe ist frei!
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Die Räumlichkeit
für Grosses Installation Untitled Trumpet war nach meinem
Empfinden suboptimal gewählt. Es war ein typischer Durchgangsraum
mit einem wegen der Hitze geöffneten Seitenausgang. Tageslicht fiel
herein und störte die Lichteffekte der Installation. Schließlich
endete die Freiheit der Farbe am Feuerlöscher (unteres Bild).
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Venedig - Kettensägen - Massaker
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Die von der Decke hängenden
Kettensägen von Monica Bonvicini reihten sich nathlos in die
bedrückende Stimmung ein. Monica Bonvicini ist eine italienische
Künstlerin und Hochschullehrerin. Sie lebt und arbeitet in Berlin
und Wien. Materialien wie Latex, Leder, Stahl und Beton, die durch
ihre Beschaffenheit zu Vermittlern gesellschaftlich verhafteter
Assoziationen werden, setzt sie in unerwartete Kontexte und stellt
somit neue Verknüpfungen her. Auch in ihrem Werk Latent
combustion stellt sie
ungewöhnliche Zusammenhänge her. Die verklumpten Kettensägen
sind mit einer teerähnlichen Masse überzogen und damit eigentlich
unbrauchbar. Dennoch wirken die massigen, dunklen Klumpen latent
gefährlich. Unwillkürlich assoziiert man Splatterfilme wie das
Texas Chainsaw massacre und überlegt was passieren würde, wenn den
falschen Personen die Sägen in die Hände fallen würden.
Nach der künstlerischen Intention
schlummert in den Kettensägen Hitze, die freigesetzt einen Brand
entfachen kann.
Monica Bonvicini, Latent combustion,
Chainsaws, black polyurethane, matt finish, steel chains, 2015
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Ashes - Ein Fischer, die
Drogen und der Tod
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An der Koje mit
der Videoinstallation Ashes von Steve McQueen kann der
Besucher leicht vorbeigehen, ohne sie bemerkt zu haben. Sie liegt
ziemlich unauffällig am Rande eines der großen Räume der
Arsenale-Fluchten.
Die Monitore sind
Rückwand an Rückwand montiert, so dass der Betrachter von seinem
jeweiligen Standort immer nur eine Sequenz wahrnehmen kann. Auf der
einen Seite ist eine Daueraufnahme von Ashes, einem jungen Fischer,
in Rückenansicht auf einem Boot im Meer zu sehen. Die andere
Monitorseite zeigt zunächst große Detailaufnahmen von
Arbeiterhänden, die mit Werkzeugen eine Steinplatte bearbeiten. Mehr
und mehr zoomt McQueen das Bild auf und der Betrachter erkennt, dass
die Handwerker eine Grabstätte herrichten. Das Grab von Ashes, der
auf der Rückseite mit seinem Boot im Ozean schwimmt.
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Bei Steve McQueen gibt es für die
Besucher ein Poster zum Mitnehmen
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Das Poster ist
beidseitig mit Ashes Rückenansicht bedruckt, die auch als
Daueraufnahme auf dem Monitor zu sehen ist. Auf der einen Seite des
Posters ist das Bild mit der Geschichte des jungen Mannes überdruckt.
Es geht um den Tod von Ashes, einen jungen Fischer, der auf der Insel
Grenada in einen Drogenkrieg gerät. Durch Zufall findet er ein
Drogenpaket, das er für sich behält. Damit will er seine Sehnsucht
nach einem besseren Leben finanzieren. Doch die Drogenbesitzer spüren
ihn auf und fordern die Drogen zurück. Ashes weigert sich und auf
der Flucht vor den Dealern erschießen sie ihn von hinten. Der Traum
vom besseren Leben endet im Tod.
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Der Himmel hängt voller Menschen
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Der türkische
Künstler Kutluğ Ataman
hat einen raumgreifenden Baldachin aus vielen kleinen LCD
Bildschirmen aufgehängt. Gezeigt werden Menschen, die in Beziehung
zu dem Industriellen und Wohltäter Sakip Sabanci (1933-2004)
standen. Mit seinem LCD - Himmel will Ataman an das soziale
Engagement des Industriellen erinnern. Nach dem Zufallsprinzip werden
die Köpfe ständig durch andere ersetzt. Ein flirrendes Meer aus
tausenden Bildern zeigt sich dem Betrachter. Die Flüchtigkeit
menschlicher Identität wird so thematisiert.
Sakıp Sabancı
gründete im Jahr 1967 die Sabancı Holding. Sakıp Sabancı
initiierte viele soziale Einrichtungen in der Türkei, zu denen eine
Universität, Schulen, Kindergärten, Kinderdörfer,
Behindertenschulen und ein Sozialrentenfonds gehören. Er war unter
anderem auch einer der größten Kunstmäzene der Türkei. Sabancı
hinterließ ein Vermögen von 2,65 Milliarden Euro.
Kombiniert wird
dieser Portraithimmel mit einer Auswahl von Fotografien von Chris
Marker, die Menschen als Passagiere, also auch in einem flüchtigen,
instabilen und vorübergehenden Zustand, zeigen. Zwischen den in sich
ruhenden Fotografien von Marker und den ständig wechselnden Bildern
von Ataman bildet sich ein produktives Spannungsverhältnis. Stille
Bilder treffen auf optisches Rauschen.
Kutluğ
Ataman, The Portrait of Sakıp Sabancı, Installation, 2014
Chris Marker,
Passengers, 2011, 134 Fotografien
Kein Papst in Avignon |
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Das Finale in den
Arsenale-Fluchten liefert Georg Baselitz mit acht monumentalen
Leinwänden.
Kein Papst in
Avignon ist einer der Titel einer Serie von acht Selbstportraits
von Georg Baselitz.
Es handelt sich um
seine aktuellsten Werke. Das letzte Bild der Serie war gerade noch
rechtzeitig zur Eröffnung fertig geworden. Nach eigenen Worten will
Georg Baselitz den Alterungsprozess des Körpers durch frische,
aufmunternde Farben und durch Verzicht auf räumliche Illusionen in
Kontrast setzen. Deshalb sind die Bilder auch "flach"
gemalt. Sie haben weder als Motiv noch im Bildraum eine körperliche
Dreidimensionalität.
Jeweils eine
nackte Figur kopfüber auf schwarzem Grund. Damit bleibt Baselitz,
der im Prinzip seit 1969 seine Bilder verkehrt herum malt, seinem
Markenzeichen treu. Georg Baselitz hat so für sein malerisches Werk
einen einzigartigen Wiedererkennungswert geschaffen.
Im Ausstellungsparcours der
Arsenale-Hallen ist nach seinen Entwürfen ein im Grundriss
aufgeschnittener Oktaeder gebaut worden. Hierdurch ist eine Art
Kathedrale für die Präsentation der Werke von Baselitz entstanden,
die von der darum liegenden Ausstellungshektik abgeschirmt ist.
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Grenzenloser Traum
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Auf dem Arsenale -
Gelände gibt es auch Länderpavillons, von denen ich einige
vorstellen möchte.
Ich
beginne mit dem Pavillon der Republik Kosovo. In einem winzigen,
begehbaren Raum lässt die junge Künstlerin Betonmauern in
azurblauen Sand zerbröseln. Von den Grenzsperren bleiben nur die
Armierungseisen stehen. In den Farben des Tages von Sonnenauf- oder
-untergang wird der Raum beleuchtet und mit dem Wechsel der
Lichtstimmungen erlebt der Betrachter im Laufe des Tages ein
allmähliches Verschwinden der Grenzen. Bei Flaka Haliti
handelt es sich um eine Fortführung ihrer Auseinandersetzung mit
Grenzen, Sehnsüchten, Sehnsuchtsorten. Das Blau ist in ihrem Fall
konkret der Corporate Identity der Vereinten Nationen entnommen.
Die Künstlerin ließ blauen Sand auf
dem Boden des kosovarischen Pavillons aufschütten, und die
Sandkörner sollen während der gesamten Biennale-Laufzeit von den
Besuchern in den Rillen ihrer Schuhsohlen weitergetragen werden. „So
wird meine Arbeit allmählich deterritorialisiert werden“, sagt
Haliti. Die Grenzen sollen in dieser aussagekräftigen Installation
allmählich verschwimmen.
Angesichts des sich auf der Balkanroute
derzeit abspielenden Flüchtlingsdramas mit den Stacheldrahtzäunen
in Ungarn ist ihr ein Kunstwerk von beklemmender Aktualität
gelungen.
Flaka
Haliti, Speculating on
the Blue, Sand, Metal,
Light, 2015
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Der Flug des Phoenix
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Im
Zusammenhang mit dem China-Pavillon auf dem Arsenale-Gelände zeigt
der chinesische Künstler Xu Bing riesenhafte Vögel. Sie sind aus
Bauabfällen geformt, die chinesische Wanderarbeiter zurückgelassen
haben. Die Skulpturen wiegen rund zwölf Tonnen. Enzewor, der von der
tatsächlichen Größe der Skulpturen überrascht war, hatte zunächst
Schwierigkeiten die Exponate unterzubringen. Schließlich wurden sie
in den beiden Werftbecken des Arsenale aufgehängt. Ein suboptimaler
Ort. Durch das gleißende Gegenlicht der Sonne kann man die
Riesenvögel teilweise nur als dunkle Silhouette ohne die feinen
Strukturen wahrnehmen. Außerdem hängen die Exponate zu weit
entfernt vom Betrachter, so dass man die komplexe
Materialfiligranität nicht detailliert erfassen kann. Die beiden
Riesenvögel hätten in einer geschlossenen Halle hängen müssen, um
ihre gigantische aber auch filigrane Wirkung voll zu entfalten.
Xu
Bing ist ein chinesischer Konzeptkünstler, der vor allem mit seinen
Werken in den Bereichen Druckgrafik und Kalligrafie, aber auch mit
Installationen bekannt wurde. Er ist Vizepräsident der Zentralen
Hochschule der Künste in Peking. Seine Installation Book from the
Sky gilt als ein Hauptwerk zeitgenössischer chinesischer Kunst.
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Fäden im Labyrinth
Enwezor hat der Ausstellung ein
globales Themna gegeben, das sehr komplex präsentiert wird. Um
Aspekte auszusparen oder auszuwählen oder um künstlerische Ansätze
zu verdeutlichen oder zu interpretieren, bietet er dem Besucher
sogenannte Filter an. Einer dieser Filter Liveness: On epic duration.
Für Enwezor ist für Liveness die Beschäftigung mit der
menschlichen Stimme wichtig.
Musik muss dabei sein
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Es gibt viele Liedtexte und Lieder zu
sehen und zu hören aber auch viele ausgestellte Musikinstrumente.
Die Installation Staged: Three Dences bezieht sich auf Jason Moran.
Er ist ein US-amerikanischer Jazz-Pianist.
Bild rechts oben: Jason Moran, Staged:
Three Dences, 2015
Bild unten: Tan Dun, Living in Future,
Visual Music & Performance
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So erforscht
Jeremy Dellers Factory Songs der britischen Arbeiterklasse,
die er in einer Musikbox zusammengestellt hat. Aus der Music-Box, die
in Betrieb ist, erschallen aber keine Arbeiterlieder, sondern nur
Fabrikgeräusche. Das Exponat ist allerdings in den Giardini zu
finden.
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Ein weiterer
Filter ist ist die Live-Lesung aus dem Kapital von Karl Marx.
Mit der Wiederbelebung dieses berühmten Standardwerks zur
Politischen Ökonomie unterstreicht Enwezor den politischen Anspruch
der von ihm kuratierten Ausstellungen. Viele Künstler haben sich
direkt mit dem Kapital
auseinandergesetzt.
In abgewandelter Form auch die Künstlerin Natalya Pershina -
Yakimanskaya.
Putin und die Kleidung der
Demonstranten - Politische Statements
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Bild oben links:
Gluklya/Natalia Pershina Yakimanskaya, Clothes for the
demonstration against false election of Vladimir Putin, 2011-2015
Bild unten: Barthélémy Toguo,
Detailansicht Urban Requiem
Bild oben rechts:
Kunstmarktkritische
Installation, die den Zusammenhang zwischen Geld und Kunst aufzeigen
soll. Im Hintergrund die Namen großer Museen, im Vordergrund ein aus
gestapelten Katalogen gebildetes Viereck, in dessen Mitte Geldscheine
liegen.
Bei der Künstlerin
Natalya Pershina - Yakimanskaya - besser bekannt als Gluklya sind
Kleidungsstücke eine Form der nonverbalen Kommunikation. Eine
bestimmte Art von Kleidung kann dazu verwendet werden, um lautlos die
Geschichte unseres Lebens zu erzählen und sie kann sogar als politische
Aussage verwendet werden. Wie ein Banner um zu protestieren und
unsere Stimme zu erheben. Mit ihrer Präsentation stellt sie die
Legitimität von Putins Wiederwahl in Frage. Zugleich thematisiert
sie staatliche Zensur und Repression. Dadurch wird es für die
Künstlerin und Feministin gefährlich und kompliziert mit ihrer
künstlerischen Arbeit Gehör zu finden.
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Für Toguo war die Skulptur das
geeignete Medium, um seine Botschaften in Form von Slogans zu
drängenden politischen, sozialen und Mißständen aus allen Regionen
der Welt darzustellen. Urban Requiem mahnt und gedenkt der Menschen, die Unrecht
und Diskriminierung erleiden müssen. Mit seinen Druckstempeln in
Stahlregalen und den Papierprints an der Wand führt er die Probleme
und Perspektiven der Welt innerhalb eines einzigen und universalen
Raums zusammen.
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Überraschende Beziehungen
Beim Biennale -
Besuch hat sich für mich noch ein eigener visueller Filter ergeben.
Mir sind bei den verschiedenen Exponaten und Präsentationen im
Arsenale und den Giardini überraschende Querverbindungen und
Beziehungen aufgefallen, die ich am Beispiel von Grosses bereits
erwähntem Werk Untitled Trumpet aufzeigen möchte.
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Raumgreifende
Farbe als Gestaltungsidee findet sich nicht nur bei Katharina Grosse,
sondern auch bei Jeremy Deller (oben links) und Ivan Grubanov (oben
rechts).
Grubanov hat auf
den Boden ausgeblutete Fahnen verstreut. Er hat die Flaggen von
verschwundenen Staaten gesammelt, mit Lösungsmittel behandelt und so
lange über die Bodenplatten gerieben, bis sie dort ihre Spuren
hinterließen. Auch das ist ein Ansatz zur Freiheit der Farbe als
künstlerisches Gestaltungsmittel. Im Gegensatz zu Grosse, die
inhaltliche Statements zu ihren Werken ablehnt, wird hier eine
Aussage angeboten: United Dead Nations.
Jeremy Deller ist ein britischer Künstler, der mit dem Turner Prize
ausgezeichnet wurde.Die Wand vor der
Music-Box in der nur scheinbar seine Factory Songs enthalten
sind, hat er mit den Farben des Abendrots besprüht, passend zum
ironischen Slogan Hello, today you have day off.
Die Arbeiten von Deller
und Grubanov sind allerdings in den Giardini zu finden.
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Was bleibt haften? Fazit | Arsenale
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Die
Ausstellungsinszenierung vom Eröffnungsraum bis zu Grosses Farbinsel
war beeindruckend. Der düstere Auftakt steigerte sich in diesem
Ausstellungsabschnitt von Raum zu Raum und eine für die
zeitgenössische Lebenswelt charakteristische Atmosphäre von
Unbehagen und Beklommenheit wird erzeugt. Danach wechseln die Themen
in bunter Folge und mit wechselnder inhaltlicher Gewichtung. Der
Zusammenhang zur Lage der Dinge geht zunehmend verloren. Neben
den soeben genannten Highlights steht zum Beispiel Steve McQueens
eindrucksvolle aktuelle Videoinstallation Ashes über das
tragische Schicksal eines jungen Fischers im Kontrast zu einer
Abfolge von relativ belanglosen und inhaltsneutralen Exponaten,
Installationen und Performances. Hier hilft nur scannen und
weitergehen. Die Highlights wurden für mich überraschenderweise
durch die Malerei gesetzt. Katharina Grosse mit ihrer Freiheit der
Farbe im Mittelteil und der Altmeister Georg Baselitz als fulminanter
Schlusspunkt am Ende der Arsenale-Flucht.
Viele Kritiker behaupten, dass die
große Ausstellung im Arsenale den Besucher förmlich erschlägt.
Es sei ein visuelles Trommelfeuer. Kaum
etwas bleibt länger im Gedächtnis. Diese Kritik kann ich so nicht
nachvollziehen.
Die
Ausstellungsinszenierung enthält neben viel Belanglosigkeit,
Verlegenheitskunst und Inhaltsleere sehr wohl eine Reihe von Werken,
die einen künstlerischen Ausdruck zur Lage
der Dinge finden und dem
Betrachter Erkenntnismomente bescheren. Ein visuelles
Trommelfeuer sieht anders aus. Ich hätte mir durchgehend mehr
künstlerisches Trommelfeuer gewünscht. Das hat noch keiner
Ausstellung und vor allem keinem Besucher geschadet.
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All the World´s Futures |
56. Biennale di Venezia
09. Mai bis zum
22. November 2015
Über Okwui Enwezor
Okwui Enwezor ist ein Kurator und
Autor. Der gebürtige Nigerianer hat fünf Großausstellungen auf
drei Kontinenten, darunter die DOCUMENTA 11 in Kassel, verantwortet.
In Venedig ist er verantwortlich für die große Ausstellung im
Zentralpavillon in den Giardini und den Arsenale-Hallen. Seit Oktober
2011 ist er Direktor des Hauses der Kunst, München.
Goldene Löwen der 56. Kunstbiennale
in Venedig
Die 56. Kunstbiennale in Venedig
zeichnet den armenischen Pavillon als besten nationalen Beitrag aus.
Den Preis der besten Künstlerin nimmt Adrian Piper mit nach Berlin
Abseits der zentralen Ausstellungsorte
der Biennale, draußen auf der Insel San Lazzaro, dort wo ein
Mechitaristenkloster sich seit bald 300 Jahren um die armenische
Sprache und Kultur verdient macht, ist der nationale Beitrag
Armeniens zur Biennale eingerichtet und erinnert an den Völkermord
vor 100 Jahren.
Die 1948 in New York geborene
Konzeptkünstlerin, Adrian Piper, lebt seit 2005 in Berlin. Nach
Ansicht der Jury ist Piper eine Pionierin, die die Konzeptkunst um
subjektive Aspekte erweitert habe.
Sämtliche Fotos: Fred Tille
Obwohl meine Fotos
nur allgemeine Ausstellungsansichten ohne explizite, detaillierte
Werkfotos zeigen, bitte ich die Urheberrechte der Künstler an ihren
Werken zu beachten.