Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Sonntag, 24. April 2016

Jack the Dripper | Jackson Pollock in Berlin

"Jackson Pollocks Werk »Mural« ist nicht nur ein herausragendes Bild, es ist auch bahnbrechend für die Entwicklung der Kunst der amerikanischen Moderne. Mitten im vom Zweiten Weltkrieg traumatisierten 20. Jahrhundert erschien Pollocks monumentales Wandgemälde wie ein Tor, durch das der Abstrakte Expressionismus Einzug hielt." (1)
Vom 25. November 2015 bis zum 10. April 2016 präsentierte die KunstHalle by Deutsche Bank unter dem Titel Jackson Pollock´s Mural, Energy Made Visible Pollocks monumentales Wandgemälde.



2,5 Meter mal 6,0 Meter Malerei für Peggy Guggenheim


Ohne den spektakulären Auftrag von Peggy Guggenheim das Entree zu ihrer neuen Wohnung in Manhattan mit einem Wandgemälde zu versehen, gäbe es kein Mural und möglicherweise wäre die gesamte amerikanische Kunstszene eine andere geworden.

Die als etwas exzentrisch geltende Sammlerin, die nach der Besetzung von Paris durch die Nazis in die USA zurückgekehrt war, hatte sich in den Kopf gesetzt, der amerikanischen Malerei eine neue Richtung mit mehr Drive zu geben. Der junge Pollock, damals ein noch unbekannter Maler, erschien ihr da als der richtige Mann. Und Pollock nutzte die einmalige Chance, die sich ihm bot.



Wenn der Malpinsel zum Schlaginstrument wird


Im Sommer 1943 machte er sich an die Umsetzung von Mural auf der größten Leinwand, die Pollock jemals bearbeitet hatte. Er wagte den großen Wurf.

Pollock machte Schluss mit der Begrenzung des Bildes durch einen Rahmen. Er holte es von der Staffelei auf den Boden und er malte mit vollem Körpereinsatz. Den kassischen Malpinsel nutzte er-wenn überhaupt- nur noch als Schlaginstrument für den kraftvollen Farbauftrag. Für Pollock wurde die Leinwand zu einem vitalen Kraftfeld. So radikal im künstlerischen Zugriff war keiner vor ihm gewesen. Es kam einer Revolution in der Malerei gleich und Mural wurde zur Geburtsstunde des Action Paintings und des bedeutendsten Künstlers der USA. Sein Werk wurde zum Fanal des Abstrakten Expressionismus. Auf der riesigen Fläche von Mural fand Pollock künstlerisch zu sich selbst, zur großen Geste und zur explosiven Kraft seiner Drip Paintings, mit denen er 1947 begann. Bald nannte man ihn Jack the Dripper.

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Jackson Pollock’s Mural: Energy Made Visible


Jackson Pollock’s Mural: Energy Made Visible lautete der Titel der Ausstellung in Berlin.
"Im Zentrum von »Mural« steht Pollocks Absicht, Energie und Bewegung sichtbar zu machen und eigene mentale Bildvorstellungen abzubilden. Der 1912 in Wyoming geborene Künstler war inspiriert vom weiten offenen Raum des Westens, den ungebändigten Kräften der Natur und der vitalen Ursprünglichkeit Amerikas als Gegenbild zur raffinierten europäischen Kultur. »Jackson Pollock’s Mural: Energy Made Visible« dokumentiert, warum dieses Bild die Kunstgeschichte revolutioniert hat." (2)

In Mural entfalten sich hier erstmals in radikaler Freiheit die halb-abstrakten Figurationen. Wie Flammen flackern die Formen auf, die Pollock zuvor an vielen Kleinformaten erprobt hatte. 



Mural | Tanz der Kreaturen


Die Kreaturen, die länglichen schwarzen Figuren, eine Art Dämonen, Irrwische, Vogelköpfe, Schlangenleiber und bizarre Augengewächse tanzen, wirbeln schlingernd durcheinander. Über sie legen sich grünliche Zeichen, die ihren eigenen Tanz aufführen. Das Ganze vermengt sich zum all-over-painting. Die Farbe ist noch gezähmt und trotz aller Wildheit zeigt sich deutlich, dass die bemalte Fläche eine vom Maler komponierte und durchaus kontrollierte Show ist.

Mural Detailansicht


Muralismo, Totems und Picasso


Auf der Suche nach Inspirationsquellen wandten sich die Abstrakten Expressionisten verschiedenenen Quellen zu.
Pollock´s monumentales Mural vereint in sich völlig neue, divergente Einflüsse des mexikanischen Muralismo von Diego Rivera, der Bildsprache der Ureinwohner Nordamerikas, des Schaffens Picassos – insbesondere aus der Periode seines Werks »Guernica« (1937) – und der Reportagefotografie der Kriegsjahre.

Eine aufschlussreiche ergänzende Präsentation weiterer zentraler Werke 
Pollock´s zeigte in Berlin die Vorgeschichte, Inspirationsquellen und Nachwirkungen seines künstlerischen Schaffens.

So führte die Schau vor wie Pollock vor Mural an viel kleineren Formaten arbeitete. Figürlich wie man am weißen Strichmännchen Icarus oder an Bird Effort sehen kann.

Links: Icarus-Rechts: Bird Effort

In den Jahren 1935 bis 1938 entstanden die kleinformatigen Panels A-D auf Hartfaserplatten. Ein strenger, abstrakter Pollock in Minigröße und durchaus ein Vorläuferentwurf für das spätere Mural.  

Jackson Pollock, Untitled Panels A-D, ca. 1934-38

Einflussreich war auch Pollocks Interesse an der Action Photography, die er in einer Fotoausstellung, die 1943 im MoMA lief, kennenlernte, als er gerade an Mural arbeitete. Hier war es insbesondere das Prinzip von Reihung und Rhythmus, das ihn faszinierte und das in Mural als Basiselement wiederzufinden ist.

Hervorzuheben sind dabei auch noch die Fotografien von Herbert Matter, Barbara Morgan und Gjon Mili, die eine große Inspirationsquelle für Jackson Pollocks Vorstellungen von der malerischen Darstellung menschlicher Energie darstellten.

Action Photography-Ausstellungsansicht

Gijon Mili, Alfred Hitchcock during the filming of "Shadow of a Doubt", 1943

Eine Auswahl von Arbeiten von Künstlern, die ihm nahe standen oder von Künstlern, die in der Folgezeit auf sein künstlerisches Vermächtnis reagierten, wurde in der Berliner Ausstellung ebenfalls gezeigt.
Lee Krasner und Robert Motherwell sowie Andy Warhol und David Reed seien hier besonders erwähnt.

Oben links: Robert Motherwell, Elegy to the Spanish Republic, No. 126, 1965-1975-Unten links: Lee Krasner, Another Storm, 1963-oben rechts: David Reed, #600-3,-Unten rechts: Andy Warhol, Yarn Painting, 1983

Der Anfang am Ende


Zweiter Weltkrieg, Judenverfolgung und die Verdammung der modernen Kunst durch die Nationalsozialisten als Entartete Kunst führten zu einer Immigrationswelle europäischer Künstler in die USA. Sie übten dadurch starken Einfluss auf zeitgenössische amerikanische Künstler aus.
Dabei handelt es sich weniger um eine Stilrichtung als ein Konzept, Kunst in spontaner Weise und ohne die Beschränkung durch herkömmliche Formen auszuführen. Die surrealistische Haltung als eine Voraussetzung freien Schaffens hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Anfänge des Abstrakten Expressionismus. Zu den führenden Kräften der Bewegung zählten Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko. Diese Generation der Künstler ist von einer tiefen Skepsis gegenüber zweifelhaften Auswüchsen des Fortschritts geprägt, vor allem durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki im Sommer 1945 und die Gefahr einer aus dem Gleichgewicht geratenen Wissenschaft im Allgemeinen.

"Ich selbst hatte in jener Zeit, um ´41 herum, das Gefühl, die Welt nähere sich ihrem Ende. Und wenn die Welt zu Ende ging, spielte die Malerei...keine Rolle mehr", erinnerte sich Barnett Newman später in einem Interview.
Doch weder die Welt noch die Kunst gingen zu Ende. Ganz im Gegenteil. Die Künstler des Abstrakten Amerikanischen Expressionismus verarbeiteten zeitweise in ihren Werken die Traumatisierungen des 20. Jahrhunderts und eines ist klar: Jackson Pollock revolutionierte damals auch in seinen künstlerischen Reaktionen auf die verheerenden Umwälzungen jener Zeit die gesamte Kunstwelt und beeinflusst Künstler bis heute.  

Blicke in die Ausstellung
Pollock vor Mural


Jackson Pollock


Paul Jackson Pollock (* 28. Januar 1912 in Cody, Wyoming; † 11. August 1956 in Springs-East Hampton, New York)

Pollock wurde bekannt mit der von ihm begründeten Stilrichtung des Action Painting. Seine im Drip-Painting-Verfahren angefertigten großformatigen Werke brachten ihm bereits zu Lebzeiten den Spitznamen „Jack the Dripper“ ein.

Pollock war mit der Malerin Lee Krasner verheiratet, mit der er eine Ateliergemeinschaft hatte.

Von 1929 bis 1931 studierte er an der Art Students League in New York

Von 1930 bis 1935 folgten Reisen und Aufenthalte in den Weststaaten und gelegentliche Besuche bei den Navahoindianern in New Mexico

Pollock studierte von 1925 bis 1927 Kunst an der Manual Arts High School in Los Angeles und arbeitete in den Jahren 1927 bis 1929 als Landvermesser in Kalifornien. Er heiratete Lee Krasner im Oktober 1945.

Für die amerikanische Bevölkerung wurde er 1949 durch einen vierseitigen Bericht im Magazin Life zum bekanntesten jungen Maler. Man begann, ihn im beginnenden Kalten Krieg als Botschafter des wilden, ungezügelten, demokratisch-freiheitlichen Amerika zu vermarkten.

Pollock gehörte 1950 zu den drei Künstlern, die zur Biennale nach Venedig entsandt wurden.
Wenig später kamen allerdings sein Alkoholismus und seine psychischen Probleme erneut zum Ausbruch, die eine permanente Arbeitsblockade hervorriefen.

1956 verursachte Pollock unter Alkoholeinfluss einen schweren Autounfall mit seinem Cabrio, den er nicht überlebte. (3)

KunstHalle by Deutsche Bank Berlin-Unter den Linden/Friedrichstrasse

Quellen:

(1) Begleitbroschüre zur Ausstellung by KunstHalle Deutsche Bank Berlin
(2) Ebd.
(3) Wikipedia

Weiterführende Links:




Sämtliche Fotos: Fred Tille

Obwohl meine Fotos im Rahmen der tagesaktuellen Berichterstattung nur allgemeine Ausstellungsansichten ohne explizite, detaillierte Werkfototos zeigen, bitte ich die Urheberrechte der Künstler bzw. deren rechtlichen Vertretungen an den Werken zu beachten.

Für die Bilder von Jackson Pollock:
© Pollock-Krasner Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Für die Bilder anderer Künstler:
© Nachweise s. Flyer zur Ausstellung

Courtesy of KunstHalle by Deutsche Bank | Berlin

Pollokmania | Gitarre "Jackson Pollock" - Waterstone Guitars Nashville im ArtStore der KunstHalle