Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Dienstag, 4. Oktober 2022

Es war einmal ein Gasometer!

ZeitBild | Nr.8





Es war einmal ein Gasometer! 
ZeitBild | Nr.8
Gasspeicher stehen im Zeichen der durch den Ukraine-Krieg verursachten Energiekrise wieder hoch im Kurs. Der abgebildete Gasometer ist seit 1995 außer Betrieb. Ab 2021 wird der stillgelegte Gasometer denkmalgerecht saniert und durch das Europäische Energieforum (EUREF) einer innovativen Nutzung zugeführt. Das Stadtquartier rund um den Gasometer wird zu einem Reallabor der Energiewende. Damit bleibt der Gasometer gleichermaßen ein Berliner Wahrzeichen und das bauliche Symbol des Energiewendestandorts. Der Innenraum des Gasometers wird zu einem Konferenzzentrum und Büroneubau ausgebaut. Der Gasometer ist jetzt zu 75% gefüllt. Allerdings mit einem Betoneinbau. In der heutigen Zeit wäre es vielen Berlinern lieber er wäre mit Gas gefüllt.
Foto: Fred Tille




Die Schönheit der großen Stadt: Gasometer als Thema von Malerei 

Die Gasometer der privaten und städtischen Gasanstalten wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Berliner Stadtbild unübersehbar. Im Jahr 1896 gab es bereits 33 dieser kolossalen Bauwerke im Stadtgebiet. Bedeutende Künstler wie Meidner, Heckel, Baluschek und Feininger entdeckten sie als Themen ihrer Malerei und stellten die Gasbehälter als eigenständige Bauwerke dar. Die Entwicklung von Industrie und Technik in der aufstrebenden Metropole Berlin wurde zunehmend zu einem bedeutsamen Sujet in der Malerei von 1850 bis 1930.

1908 verfasste der Architekt und Kunsttheoretiker August Endell eine Publikation mit dem Titel Die Schönheit der großen Stadt. Von daher verwundert es nicht, wenn für Meidner Gasometer architektonische Monumente von größter Symbolkraft für die Segnungen der modernen Technik waren. Nach der Errichtung des Berlin-Schöneberger Gasspeichers sprachen Architekten und Künstler euphorisch von einer Kathedrale der Technik. 

Der eigentliche Gasbehälter bewegt sich innerhalb eines Führungsgerüsts. Je nach Füllstand schiebt sich der Gasbehälter nach oben oder unten. Ich wohnte in der Zeit als der Gasometer noch in Betrieb war in Schöneberg und bin oft an ihm vorbeigefahren. Wenn der Behälter oben stand, ragte er am Ende der Häuserzeilen wie ein Berg auf und versperrte die Sicht. So hat es wohl auch Meidner empfunden als er von Gasometern sprach, „welche in weißen Wolkengebirgen hängen.“

Meidner hat wiederholt Berliner Gasometer gemalt, allerdings nie den hier dargestellten. Den hat sich der Maler Lyonel Feininger als einziges von ihm gemaltes Berlin-Motiv gewählt.

Eine Ausstellungsbesucherin betrachtet das Bild von Lyonel Feininger, Gasometer in Berlin-Schöneberg. Blick in die Ausstellung der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Die Schönheit der großen Stadt, 2018 im Museum Ephraim-Palais


Feininger, der von von 1887 bis 1937 in Berlin lebte, hat den Gasometer von Schöneberg in flammenden Farben gemalt. Das zwischen 1907 und 1912 entstandene Gemälde zeigt den Stahlbehälter in gelb-orange-roten Farbtönen, davor steht eine kleine Dampflokomotive, die eine Kohlelieferung bringt. Zwei ins Gespräch vertiefte Arbeiter in blauer Kleidung bilden einen deutlichen Farbkontrast zu den warmen Tönen. 


Von der Technikeuphorie zum menschenverschlingenden Moloch. Die Stadt-Welt im Wandel der Malerei zum Beginn des 20. Jahrhunderts


Allerdings änderte sich nach der anfänglichen Euphorie die Tonlage der Malerei. Wurde anfangs die moderne Technik als Schritt zum Wohle der Menschen empfunden, entwickelte sich Jahrzehnte später Industrie und Technik in der Stadt zunehmend gegen die Lebensbedingungen der Bewohner.

Die regellose Bebauung, die sich schnell ausdehnenden Wohngebiete und Mietskasernen , die die Industrieanlagen räumlich einschlossen, führten zu baulichen Verdichtungen und zu massiven Umweltschäden. Nach und nach reagierte die Malerei auf diese negativen Entwicklungen.

Stadtlandschaften werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer häufiger als irreparabel zerstört dargestellt und die Metropole Berlin als menschenverschlingender Moloch. Die Stadt wurde bei den Expressionisten zur Metapher für existentielle Konflikte. Ludwig Meidner wandelte seine anfänglich technikaffine Darstellung in endzeitliche Szenarien um.

Aus unwirtlichen Vorstadtansichten wurden mehr und mehr kritische Kommentare zum ungehemmten Expansionstriebs Berlins. Am eindrucksvollsten gibt wohl das 1916-17 entstandene Bild von George Grosz Metropolis, die damalige Stimmungslage vieler Künstler wieder. Es zeigt eine apokalyptische Stadtlandschaft in brandrot glühenden Farben gemalt. Endzeitliche Szenarien, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, den Wirren der Weimarer Republik und schließlich der Machtergreifung durch die Nazis traurige Wirklichkeit wurden.  

Es war einmal ein Gasometer! Vom Gas-Tank zum Think-Tank


Der Gasometer in Berlin - Schöneberg ist ein bedeutendes Zeugnis der 180-jährigen Gasversorgungsgeschichte Berlins. Er steht seit seiner Stilllegung 1994 unter Denkmalschutz. Der trotz neuer Bebauung immer noch weithin sichtbare Gasspeicher ist heute Wahrzeichen des Ortsteils Schöneberg und Symbol für die “Rote Insel ”, dem ehemaligen Arbeiterwohnquartier zu seinen Füßen. Hierzu gibt es ein sehr schönes Gemälde von Hans Baluschek Tiefer Schnee. Das Bild zeigt den südwestlichen Teil der Insel mit Blick auf den Gasometer.

Häusermeer der Roten Insel
Foto: Axel Mauruszat (1)


Mit dem Ausbau des stillgelegten Gasometers durch das Europäische Energieforum (EUREF) zu einem Reallabor der Energiewende wird der Gas-Tank zum Think-Tank und damit zum baulichen Symbol für die Abkehr von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Da die restaurierte Stahlstruktur im ursprünglichen Erscheinungsbild von 1910 erhalten wird, bleibt der berühmte Gasometer zugleich ein Berliner Wahrzeichen für Vergangenheit und Zukunft.

Das Tempo der Energiewende hat durch die vom Ukraine-Krieg verursachte Versorgungskrise einen herben Rückschlag erlitten. Dennoch wird es wohl nicht dazu kommen, dass sinnbildlich und allgemein gesprochen der Think-Tank zum Gas-Tank rückabgewickelt wird.


(1) Foto: Axel Mauruszat / Veröffentlichung gem. Lizenzangaben auf Wikimedia Commons: Der Urheberrechtsinhaber dieser Datei erlaubt jedem, sie für jeden Zweck zu verwenden, vorausgesetzt, dass der Urheberrechtsinhaber ordnungsgemäß genannt wird.  

Weiterführende Links:

EUREF-Campus | Die offizielle Website auch in englischer Sprache. Die Website gibt einen umfassenden Überblick zum Zukunftsprojekt mit vielen Ansichten vom Gasometer und dessen Umbau.

Die Schönheit der großen Stadt | Der Titel einer Ausstellung der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Die Schönheit der großen Stadt, 2018 im Museum Ephraim-Palais  

Meidner, Baluschek und Feininger | Mehr zu diesen Künstlern:

Ludwig Meidner

Hans Baluschek

Lyonel Feininger


Samstag, 23. Juli 2022

Gewaltig unauffällig - Bernar Venet in Berlin

Eigentlich wollte Venet so lange nicht wieder nach Berlin kommen, wie die umstehenden Bäume den freien Blick auf seine Skulptur Arc de 124,5°“ oder Bogen von 124,5° an der Urania in Berlin-Schöneberg behindern.

In diesem Jahr hat es sich der französische Bildhauer und Konzeptkünstler anders überlegt. Anlässlich der Eröffnung der bisher größten und umfangreichsten Retrospektive (29.01.-30.05.2022)  von über 150 seiner Werke in den großen Hangars 2 und 3 des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof erschien Venet persönlich und brachte in einer Performance eine Kette von Stahlbögen mit einem Gewicht von über 30 Tonnen unter ohrenbetäubendem Lärm zum Einsturz. Hier ein Video von der Performance, das auf der Original-Website des Veranstalters zu sehen ist. Mit dem Titel: BERNAR VENET - Domino Collapse | Kunsthalle Berlin - Flughafen Tempelhof.

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Die Skulptur Arc de 124,5° oder Bogen von 124,5° an der Urania in Berlin-Schöneberg



Zunächst aber zurück zum Arc de 124,5 um den es in meinem Post schwerpunktmäßig geht. Venet schuf diese Skulptur als Auftragsarbeit speziell für diesen Ort. Es handelt sich um ein Geschenk Frankreichs an Berlin anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt, das in Anwesenheit des damaligen französischen Premierministers Jacques Chirac 1987 offiziell übergeben wurde. Die Skulptur stellt symbolhafte Bezüge zu dem damals noch geteilten Berlin her. Insbesondere bezieht sich die Bogenform auf die Luftbrücke der Alliierten während der Berlin-Blockade von Juni 1948 bis Mai 1949. Anschließend fiel das Kunstwerk der Vergessenheit anheim. Es wurde durch Graffitis verunziert, Grün wucherte rundherum.

Bernar Venet ist ein französischer Bildhauer und Konzeptkünstler und gilt als einer der international herausragenden Bildhauer der Gegenwart. Seine Stahlskulpturen sind in vielen internationalen Museen, Privatsammlungen und im öffentlichen Raum vertreten.

Im Frühjahr, wenn die Bäume noch nicht belaubt sind, hat man noch einen einigermaßen guten Blick auf das Kunstwerk.  „Dargestellt ist ein Kreisbogen von 124,5°. Der Titel der Skulptur entspricht also exakt der geometrischen Form. Das Kunstwerk besteht aus geschweißten, schwarz lackierten Stahlplatten. Es hat eine Spannweite von 40 Metern, eine Höhe von 12 Metern und ein Gewicht von 15 Tonnen. Gehalten wird es von einem in die Erde eingelassenen, 100 Tonnen schweren Betonblock.“ (1)


Kunst oder Baum? - Das ist hier die Frage. 

Das Problem für Venet besteht nun darin, dass im Sommer von den üppig belaubten Bäumen auf dem Grünstreifen der Blick auf den Bogen größtenteils verdeckt ist. Die Skulptur fällt mittlerweile nur noch ins Auge, wenn man ganz genau hinschaut. Das möchte der Künstler ändern und hat sich deshalb an die Berliner Senatskanzlei gewandt. Venet fordert die Fällung der Platanen und bietet Ausgleichspflanzungen an. Natur gerät ausnahmsweise mal nicht mit Wirtschaftsinteressen, sondern mit der Kunst aneinander. Doch hier geriet Venet in die Mühlen der Berliner Verwaltung. Denn in Berlin ist die Verwaltung in den Zuständigkeiten zweigeteilt. Der Senat landesweit auf der einen und die Bezirke regional auf der anderen Seite. In diesem Verhältnis kommt es sehr häufig zu Konflikten.

Im Sommer 2022 mit belaubten Bäumen  aufgenommen, zeigt das Foto deutlich die Sichtbehinderungen auf die Skulptur


Ein heftiger Streit entbrennt. 


Auf die Einzelheiten dieser Debatten möchte ich nicht näher eingehen. Das wäre in Bezug auf das Kernthema meines Blogbeitrags zu kleinteilig. Deshalb nur soviel:  

Für die Bäume ist der Bezirk und nicht der Senat zuständig. Es erfolgte zwar auf Bezirksebene gegen die Stimmen von Grünen und Linken ein Beschluss, dass bis zu sieben Platanen und eine Linde fallen sollen, um das Kunstwerk des französischen Künstlers Bernar Venet besser sichtbar zu machen. Aber der heftige Streit ging weiter und gipfelte in der Frage: Darf man im Jahr 2019, im zweiten Hitzesommer in Folge und angesichts der aktuellen Sorgen um das Weltklima, tatsächlich noch auf die Idee kommen, Hand an auch nur einen einzigen Baum zu legen?

Das Vorhaben wurde vorerst gestoppt. Die Platanen bleiben erst mal stehen. Der Konflikt ließe sich ohne Motorsäge im Gespräch mit Venet eventuell entschärfen, indem man die Skulptur woanders mit freiem Blickfeld aufstellt, wo sie besser zur Geltung kommt.  

Das Kunstobjekt erhebt sich auf einem begrünten Mittelstreifen zwischen zwei stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen in Höhe des Wissenschafts- und Kulturzentrums Urania, das im linken Bildhintergrund mit den farbigen Bannern zu sehen ist.


Was ist von dem Vorhaben und Venets Wünschen noch übrig? 


Übrig ist ein gesteigertes Interesse daran, wie wir mit vernachlässigter Kunst umgehen, lautet ein Statement der Politik. Das darf stark bezweifelt werden. Angesichts der zahlreichen lieblos behandelten öffentlichen Skulpturen in Berlin ist es hochgradig wahrscheinlich, dass man Venets Bogen im üblichen Berlin-Style für den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum einfach still und leise weiter vergammeln lässt.

Vielleicht hat Venet aber die für ihn konzipierte und bislang umfangreichste Werkschau weltweit etwas mit Berlin versöhnt.

Von Bogen zu Bogen. Temporäre Konkurrenz.
Dieser Anblick würde Venet sicherlich auch nicht gefallen. Im Gegensatz zu den Platanen verschwinden die Wasserleitungen aber irgendwann. Irgendwann kann in Berlin aber auch sehr lange dauern.


(1) Quelle: Mathematischer Ort des Monats August 2018 / „Arc de 124,5°“ an der Urania in Berlin-Schöneberg von Iris Grötschel aus der Website von Berliner Mathematische Gesellschaft e.V.   

Weiterführende Links:

Bernar Venet im Interview und bei der Arbeit. Ein Beitrag der Deutschen Welle (DW) auf youtube.

Über das Projekt BERNAR VENET, RETROSPEKTIVE
60 JAHRE PERFORMANCE, BILDER UND SKULPTUREN. 1961–2021.
Die Original-Website des Veranstalters  Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn mit ergänzendem Bildmaterial

Blicke in die Ausstellung im Flughafen Tempelhof vom 29. Januar bis 30. Mai 2022 aus der offiziellen Berliner Website berlin.de

Infos zur Urania in Berlin-Schöneberg auf deren Original-Website

Sämtliche Fotos: Fred Tille

Donnerstag, 17. Februar 2022

Auch das noch! Kollege Roboter als Maler! KI in der Malerei | Drei Beispiele | Teil 2

Beispiel 2: e-David – Ein Projekt der Universität Konstanz

Beim letzten mal hatte ich Euch den Malroboter AI-DA vorgestellt. Heute berichte ich über seinen Malerkollegen e-David. Im Gegensatz zu Aida, der menschelnd daherkommt, leugnet e-David seine maschinelle Herkunft nicht. e-David ist ein gewöhnlicher Schweißroboter, wie er normalerweise zur Herstellung von Autos verwendet wird, der aber in einem Projekt an der Universität Konstanz zu einem malenden Roboter umfunktioniert wurde. Konzipiert wurde das Projekt e-David von Oliver Deussen, Professor für Visual Computing und seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern Marvin Gülzow und Thomas Lindemeier. David ist die Abkürzung für Drawing Apparatus for Vivid Image Display. Diesem Apparat zum Malen von lebendig wirkenden Bildern wollen die Wissenschaftler beibringen alle Aspekte einer künstlerischen Gestaltung im Malprozess zu produzieren.



Wie funktioniert e-David ?


Damit der Roboter lebendig wirkende Bilder malen kann, wurde der Schweißroboter mit mehreren Kameras und einem Steuerrechner gekoppelt. Ein Computerprogramm gibt dem Roboter vor, welche Pinselstriche er machen soll und überwacht, was auf der Leinwand erscheint.  

Im folgenden Video könnt ihr beobachten wie David ein Selbstportrait malt.


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Informatiker Thomas Lindemeier, einer der Entwickler an der Universität Konstanz, befestigt einen Pinsel am Roboterarm. Und schon legt der Roboter los. Behutsam streicht e-David den Pinsel über die Leinwand, tunkt ihn in einen Wasserbehälter, um den Pinsel zu waschen, ehe er zum nächsten Farbtopf wechselt und weiter malt.

Als Vorlage dient e-David eine x-beliebige Fotografie, eingescannt, vom Handy oder aus dem Netz. Eine an der Wand installierte Kamera schießt nun alle paar Minuten ein Foto der Leinwand und gleicht sie mit dem Vorlagenbild ab. Die Kombination aus Vorlagenbild und Leinwand gibt e-David die nötigen Impulse, um den Pinsel an der richtigen Stelle anzusetzen. Weltweit gebe es zwar verschiedene Malroboter, doch keiner sei laut Lindemeier so intelligent wie David

"Andere Malroboter malen nach einem fix vorprogrammierten Ablauf, bei dem jeder Pinselstrich bereits eingeplant wird, sie drucken das Bild quasi nur aus", sagt Lindemeier. "Unser Roboter dagegen überwacht sich mit Kameras selbst und entwickelt so eine eigene Ästhetik."

Würde e-David zweimal das gleiche Foto als Vorlage verwenden, das gemalte Bild würde am Ende unterschiedlich aussehen, weil der Weg zum fertigen Bild nicht programmiert ist. Tatsächlich haben die Gemälde eine ganz eigene Ästhetik. Im folgenden Video e-David - a Painting Robot könnt ihr beobachten wie und nach welchen Prinzipien David malt.


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Ob diese visuelle Rückkoppelung und gewisse Momente des Kontrollverlusts immer noch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal von e-David ist, sei zunächst dahingestellt. Auch der Malroboter AI-DA ist im Produktionsprozess selbständig ohne direkte Mitarbeit und Weiterbearbeitung durch den Menschen maschinell künstlerisch kreativ. 

In Verbindung mit der Verarbeitung der digitalen Eingabedaten und den über die Kameraaugen aufgenommenen und gescannten Rauminformationen entsprechen bei AI-DA im Abgleich mit der Programmierung die Ausgabedaten daher nicht immer und unbedingt den Eingabedaten. Es entsteht auch bei AI-DA ein Interpretationskorridor. Was aber auf jeden Fall ein Alleinstellungsmerkmal von e-David ist, ist die direkte Kooperation mit der Künstlerin Liat Grayver. 


Der Roboter arbeitet mit mir, nicht für mich“ 


Die Medienkünstlerin und Malerin Liat Grayver und e-David bringen Malerei und digitale Technologie zusammen.

Normalerweise ist ein Computer mit seinen präzisen Programmanweisungen ganz deterministisch angelegt. Er arbeitet nach klaren Vorgaben. Bei dieser Mensch-Maschine-Kooperation geht es nun allerdings darum, dem Computer Freiheiten einzuräumen, um auch selbst Entscheidungen treffen zu können. Außerdem wurden von den Entwicklern und Grayver Momente des Kontrollverlusts z. B. durch die Materialwahl vorgesehen: 

Für die Aufzeichnung habe ich Reispapier gewählt, ein sehr dünnes Papier, das die Farbe aufsaugt. Auf diese Weise arbeitet die Materie unkontrollierbar weiter, es entstehen Überlagerungen von Farbe und Wasserverläufe“,

erklärt Malerin und Medienkünstlerin Grayver. Durch die permanente visuelle Rückkoppelung in Verbindung mit dem Prinzip von Machine Learning lernt der Malroboter gewisse Regelmäßigkeiten in der Unregelmäßigkeit zu erkennen und darauf zu reagieren.

Im folgenden Video Brushstroke in the digital age wird exemplarisch sehr gut das Collaborating zwischen Entwickler, Künstlerin und e-David dargestellt (in englischer Sprache).


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Betrachter würden nicht denken, dass die Bilder, die so entstehen, von einer Maschine geschaffen wurden“, sagt Grayver. 


Grayver beschäftigt sich seit Oktober 2018 mit dem Projekt „Human-Machine: Interaction as a Neutral Base for a New Artistic and Creative Practice.“

Ihr bisheriges Collaborating mit e-David beurteilt sie positiv: 

 Die Entwicklung einer neuen Technik, wie eines malenden Roboters, eröffnet mir eine bislang in diesem Maße nicht gekannte künstlerische Freiheit.“


In ihrer Ausstellung (Learning) The Grammar of the Act in der Bibliothek der Universität Konstanz zeigt Grayver, wie sich Malerei und Technik auch in der Praxis zusammen bringen lassen. Der Roboter zeichnet in dieser Ausstellung die Bewegungen der Menschen nach, die die Bibliothek der Universität Konstanz im Seitentrakt betreten. Das Ergebnis: Expressionistisch anmutende Gemälde.

Das folgende Video zeigt anschaulich e-David bei der Arbeit im Rahmen der Ausstellung (Learning) The Grammar of the Act.


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Was wird mit dem Projekt e-David beabsichtigt?

Den Entwicklern geht es nicht nur darum, ein Bild stumpf 1:1 abzumalen. Sie wollen entschieden mehr. Die Forscher möchten ihren Roboter befähigen, einen völlig neuen Raum für künstlerische Möglichkeiten sowohl auf der semantischen als auch der technischen Ebene zu schaffen. Bis es soweit sein könnte, sind aber noch sehr viele Hürden zu überwinden.  

Bereits im jetzigen Stadium mussten auf technischer Ebene unglaublich umfangreiche Algorithmen entwickelt werden, die möglichst präzise den malerischen Eigenschaften menschlicher Maler in der realen Welt entsprechen. Wie können beispielsweise verschiedene Farben auf der Leinwand oder auf der Palette gemischt werden? Wie soll die Größe des Pinsels eingestellt werden und wann muss Glasur hinzugefügt werden?

 

Interface #4, Fred Tille, Digitale Collage

Auf der semantischen Ebene wird es ungleich komplexer. Ich habe die Entwickler in der Projektbeschreibung so verstanden, das sie damit eine möglichst vollständige und wirklichkeitsgetreue Abbildung der Realität mit den Werkzeugen der Informatik anstreben. Übertragen auf die Informatik würde das bedeuten, dass der semantische Aspekt einer Information von Zeichen und deren Anordnung abhängt. Das wiederum führt zu folgenden Fragestellungen:

Wann und warum sollte eine semantische Methode zur Definition des Objekts im Bild verwendet werden? Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, semantische Objekte zu malen, ohne bereits ein kognitives Verständnis dafür zu haben? 

Insgesamt sind die Entwickler schon sehr weit gekommen. Durch das Prinzip der visuellen Rückkoppelung halten sie quasi Rücksprache mit David. Sie diskutieren, wie sie zu dem aktuellen Gemälde gekommen sind und heben die bisher festgestellten Stärken und Schwächen sowie Pläne für zukünftige Erweiterungen hervor. Dadurch erweitern sie das Verständnis für tiefes Lernen, künstliche Intelligenz und Roboterkreativität enorm. Das Mensch/Maschine Collaborating erkundete weitere Möglichkeiten, den Malroboter kreativ zu nutzen und reflektierte Ideen darüber zu entwickeln, wie diese in Form von Software und Hardware implementiert werden könnten. 

Auf diese Art und Weise könnten maschinengestützte kreative Schnittstellen innerhalb des breiteren Feldes der Medienkunst und der Malerei entwickelt werden, die dann Künstlern als Plattform offenstehen könnten. In Verbindung mit Collaborating - wie z.B. durch Grayver praktiziert – würden Malroboter auch kreativ für die Produktion von Kunstwerken genutzt werden können.

Interface #1, Fred Tille, Digitale Collage

Fazit e-David: Autonome Kunstwerke mit Algorithmenvorgabe in Verbindung mit visueller Rückkoppelung und menschlichen Eingriffen zur Optimierung.

Nach der Wunschvorstellung der Informatiker soll eDavid befähigt werden, einen völlig neuen Raum für künstlerische Möglichkeiten zu schaffen. Im Idealfall, so hoffen die Forscher, kann e-David irgendwann also nicht nur Bilder reproduzieren, sondern darüber hinaus neue, sich durch die Möglichkeiten der Maschine ergebende Mal-Techniken entwickeln. Durch seine im Programm vorgesehene permanente Selbstverbesserung in Verbindung mit menschlichem Collaborating kommt e-David zu erstaunlichen Ergebnissen. Lindemeier sieht aber auch, dass 

"der Computer diesen Raum zuerst verstehen [müsste], um daraus einen neuen Raum des Möglichen zu machen. Da gebe es im Bereich maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz noch viele Hürden."


Dem ist nichts hinzuzufügen. Mit seinen bisherigen malerischen Fähigkeiten hat es e-David mit seinem Werk homage to Jackson Pollock immerhin geschafft, im robotart Wettbewerb von 2017 den 4. Platz zu machen und damit $6000 zu gewinnen.

Auf jeden Fall kann er nach meinem Empfinden besser mit Pinsel und Farbe umgehen als sein Malerkollege AI-DA .

Hier noch das passende Video: e-David - homage to Jackson Pollock



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Der Bau und die Weiterentwicklung von e-David bringt noch viele Herausforderungen in den Bereichen Engineering, Robotik, Computergrafik und Computerdesign und vor allem Computer-Vision mit sich. Unter Computer Vision verstehe ich in Bezug auf die Weiterentwicklung von Malrobotern einen wissenschaftlichen Grenzbereich zwischen Informatik und den Ingenieurwissenschaften, in dem versucht wird die von Kameras aufgenommenen Bilder auf unterschiedlichste Art und Weise zu verarbeiten und zu analysieren, um deren Inhalt zu verstehen.

Und damit komme ich zu den weiteren Beispielen, die ich Euch in der Fortsetzung meiner Miniserie vorstellen möchte.  

Mein nächster Post mit Beispiel 3 zeigt eine weitere Version: KI ist meine neue Muse. Der Rechner als Partner des Malers.



 

Weiterführende Links zu e-David :

e-David.A painting process. (In englischer Sprache)

Original-Website der Universität Konstanz über das Projekt mit Videos und artworks.

Künstliche Intelligenz: David, der Kunst-Roboter

Artikel im Tagblatt (CH) mit Fotos und Projektbeschreibung von den Entwicklern Lindemeier und Gülzow  

e-David: Roboter als Kunstmaler

Ein kurzer Artikel in computerbild mit 12 Gemälden und Zeichnungen von eDavid.

Der YouTube Channel von eDavid. (In englischer Sprache)

Zusammenstellung der Projektvideos.

Die Original - Website von Liat Grayver (In englischer Sprache)

Der Pinselstrich im digitalen Zeitalter

Aktuellste Mitteilung zum Projektstand. Ausstellung „InComputable Imagery“ von Medienkünstlerin Liat Grayver und Malroboter e-David ab dem 5. November 2021 in Konstanz.  

Kann Künstliche Intelligenz kreativ sein?

Überblickartige Zusammenfassung vieler Hauptgesichtspunkte aus der Sicht der Kreativbranche. 

Künstliche Intelligenz Vs. Mensch – Sind Wir Ersetzbar?

Wie können wir uns gegenüber künstlicher Intelligenz abgrenzen?

Kann KI Bewusstsein entwickeln?

Wie Künstliche Intelligenz Content erstellt.

Künstliche Intelligenz und Bewusstsein

Lässt sich Bewusstsein nachbilden?

Kreative Maschinen? Der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Kunst steht noch ganz am Anfang.  

Ein Film von 3sat über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Kunst mit einem Teilbeitrag zu e-David. e-David malt passenderweise ein Motiv aus dem Film Blade Runner.
Verfügbar bis 6.03.2023 

Eine etwas kindlich aufgemachte Website zur robotart, aber mit guten Beispielen zur aktuellen Werkproduktion von Malrobotern.  

Sämtliche Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet, Fred Tille.



Donnerstag, 13. Januar 2022

Pushback

ZeitBild | Nr.7

Pushback
ZeitBild | Nr. 7
>Pushback< ist das >Unwort des Jahres< 2021. Das gab die Jury der sprachkritischen Aktion am Mittwoch in Marburg bekannt. Der aus dem Englischen stammende Begriff wird im Zusammenhang mit Zurückweisungen von Flüchtenden an Grenzen verwendet.“ (1) Zitat aus spiegel.de, 12.01.2022 
Foto: Fred Tille/Flucht, Acryl und Lack auf Papier, 18x27, 2016 


Das Wort bezeichnet die Praxis von Europas Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen und am Grenzübertritt zu hindern. Mit der Verwendung des Ausdrucks wird ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nimmt, das Asylrecht wahrzunehmen. Der Einsatz des Fremdwortes trägt zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte und das Grundrecht auf Asyl bei. 

Die Kunst hat sich auch mit diesen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen auf unterschiedliche Art und Weise beschäftigt. Ich z.B. habe mich in einer Bildserie dem Migrationsthema mit den Mitteln der Malerei genähert. Hier seht ihr Flucht / Transit #6.  

In meinem Blog findet ihr viele Posts zu diesem Thema, die ich in folgender Sammlung von Links zusammengefasst habe.

Chromos goo bugly – Daniel Richter in Innsbruck, 10/2014

Transit – Anna Seghers im Deutschen Theater Berlin, 02/2015

Grenzgänge, 08/2016

Guernica in Berlin, 04/2017

Transit – Christian Petzolds neuester Film, 04/2018