Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Sonntag, 3. Januar 2021

Wir begrüßen das 21. Jahrhundert!

 ZeitBild | Nr.5


Wir begrüßen das 21. Jahrhundert!

ZeitBild | Nr.5
Fred Tille | 90x120cm
Mischtechnik auf Lwd. | 2001


Von The Decade From Hell zur globalen Corona-Pandemie


2021. Der Beginn des 21. Jahres im 21. Jahrhundert. Anlass für mich mein Bild Wir begrüßen das 21. Jahrhundert! vorzustellen.

Das TIME Magazin beschreibt Ende 2009 das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mit The Decade From Hell. (1) Als Beispiele werden der Anschlag auf das World Trade Center am 11.09.2001, die Kriege in Afghanistan und im Irak und die globalen Auswirkungen der Pleite der Lehmann-Brothers angeführt. Zwischenzeitlich haben wir die Atomkatastrophe von Fukushima, die Zunahme der Umweltzerstörung und die Auswirkungen des Klimawandels erlebt. 

Den Beginn der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts nahmen Anfang des Jahres 2020 viele Medien, Autoren und Wissenschaftler zum Anlass, um mehr oder weniger fundierte Prognosen für die Zeit bis 2030 zu stellen. Würde es eine Dekade des Umbruchs werden? Gemeinsam war allen Einschätzungen, dass die Veränderungen im kommenden Jahrzehnt die Welt wohl stärker verändern werden als je zuvor. Einige Trends ließen sich durch Prolongierung der Gegenwart relativ sicher vorhersehen, andere nur erahnen.

Was wohl keiner vorausahnen konnte: 2020 war das Jahr der Pandemie. Es war das Jahr, in dem in den USA ein Präsident abgewählt wurde, der die Werte der westlichen Demokratie auf eine harte Probe gestellt hatte. Es war das Jahr, in dem die Klimakatastrophe näher rückte und in dem die Weltgemeinschaft mehr denn je in Interessengruppen aufgespalten war und es nicht schaffte, eine gemeinsame Linie zu finden. Weltweit war der Nationalismus auf dem Vormarsch und mit ihm Populismus und Autokratie.


So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen!


Ein einziger Lichtblick ist zu erkennen. Die Fridays for Future Bewegung als Widerstand der jungen Generation gegen die fortschreitenden selbstzerstörerischen Entwicklungen der Gegenwart. Sie fordert von der Politik die Bewältigung der Klimakrise als Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts zu betrachten und entsprechend zu handeln. Man braucht kein Anhänger derjenigen zu sein, die glauben morgen würde die Welt untergehen, um festzustellen: Es steht nicht gut um die Zukunft unseres Planeten.  

Und dann legte sich weltweit über dieses ohnehin düstere Szenario der lange Schatten der Pandemie. Aber über diesen Schatten legt sich Anfang 2021 doch der Hoffnungsschimmer die Pandemie besiegen zu können.


Bilder aus der Zeit um 5 nach 12


Von den erwähnten zukunftsbedrohenden Tendenzen lassen sich natürlich auch Künstler beeinflussen; vor allem diejenigen, die in ihr Werk gesellschaftspolitische Positionen miteinbeziehen.  

Zeitgenössische Künstler wie z.B. Santiago Sierra (No, Global Tour), Michelangelo Pistoletto (Arte Povera) und Helmut Schweizer ( Zu Deutschlandschaft 2) (2) spiegeln in ihren Werken zerstückelte, zerbrochene, zerstörte Welten wieder. 

Auch mich interessiert die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, diesen existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? Hierzu möchte ich euch die Lektüre meines Posts Vorher, Dabei, Nachher empfehlen.

Das Bild Wir begrüßen das 21. Jahrhundert! habe ich 2001 gemalt. Sicherlich gingen in die gestalterische Mischung auch damalige Elemente des gesellschaftlicher Zeitgeistes ein. Als ich an diesem Bild arbeitete, hatte ich mich zuvor intensiv mit den Kriegen in Afghanistan und mit den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems befasst.

Tief greifende gesellschaftliche und ökologische Umwälzungen sind künstlerisch nicht wirklich adäquat darstellbar. Die Welt kann durch die Kunst allein nicht zum Besseren verändert werden, aber die Kunst kann Zeichen setzen und Mahnungen aussprechen. 

Weiterführende Links und Quellenangaben:


By Ruth Marcus

Ein Kommentar der Washington Post mit Bezug auf den Artikel in der Times

(2) Die kommerzielle Seite von artnet habe ich nur verlinkt, um das Beispielbild zeigen zu können.

      

Foto: Fred Tille