Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Montag, 17. März 2014

Geplanter Zufall und politische Positionierung

K.O. Götz in der Neuen Nationalgalerie Berlin

Vom 13.Dezember 2013 bis 02. März 2014 würdigte die Neue Nationalgalerie Berlin in einer Sonderausstellung das künstlerische Œuvre von K.O. Götz. Die Auswahl von rund 70 Werken gab einen repräsentativen Einblick in alle Schaffensperioden seiner abstrakt-gestischen Malerei.


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In meinem Beitrag möchte ich zwei Aspekte aus dem Gesamtwerk von K.O. Götz hervorheben, die auf den ersten Blick überhaupt nicht mit dem Informel in Verbindung gebracht werden: Planung und Zeitgeschichte. Denn bereits in der Anfangsphase der Entwicklung des Informel in der Bundesrepublik Deutschland wurde der pauschale Vorwurf der Wirklichkeitsflucht und damit verbundener Unverbindlichkeit erhoben. Die Loslösung von der geometrischen Abstraktion und die Hinwendung zur Formlosigkeit wurde als Inhaltsleere und Strukturlosigkeit missverstanden. Hier zeigte sich aber ein oberflächliches Verständnis von Kunst und ihren Aktionsweisen.

Illustration: Fred Tille





In der Berliner Ausstellung werden in einer Vitrine Vorzeichnungen, die filmischen Storyboards ähneln, gezeigt. Diese Beispiele zeigen wie umfangreich der Meister der gestischen Malerei seine Kunstwerke vorbereitete. Götz verwendete auch Schablonen und Abdecktechniken, die er über bereits gestaltete Bildflächen legte, um dadurch planerischen Einfluss auf das Ergebnis seiner künstlerischen Bemühungen zu nehmen. Die Bilder selbst entstanden zwar in Minutenschnelle, mussten sich aber einem kritischen Abgleich zwischen geplanten und zufälligen Bildstrukturen stellen. Ergebnisse, die diesem Vergleich nicht standhielten, wurden rigoros und oftmals auch in Minutenschnelle aussortiert. Der kontrollierende Blick auf das Bild ist der entscheidende Moment: "Entweder das Gemälde ist gut", sagt Götz, "oder es ist blöd. Dann wird die ganze Farbe wieder abgewischt." (Quelle: Angelika Kindermann, Wenn Götz kommt, kracht die Farbe, art-Magazin, Heftausgabe: 05/1998, Seite: 68-76) 

Illustration: Fred Tille

Zeitgeschichtliche Bezüge im Werk von Götz werden durch die eindrucksvolle Präsentation einer dreiteiligen Bildfolge verdeutlicht. Das Triptychon bestehend aus der Mitteltafel U.d.Z. (Unter diesem Zeichen) und deren flankierenden Seitentafeln Jupiter und Matador ist im Frühjahr 1958 als künstlerisch-politische Reaktion auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages entstanden, der die Stationierung des Marschflugkörpers "Matador" und der Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen des Typs "Jupiter"auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland vorsah.
„Der entfesselte Wirbel im Zentrum des Bildes Jupiter scheint die verheerende Kraft einer möglichen nuklearen Explosion zu versinnbildlichen. Die dynamischen Rakelzüge von Matador wecken Assoziationen an einen atomaren Sturm. Mahnend erhebt sich hierüber die christliche Ikonographie des Kreuzes von U.d.Z.“ (Quelle: Publikumsbroschüre zur Ausstellung, K.O. Götz,  Neue Nationalgalerie Berlin, 2013).
Götz verarbeitete auch in späteren Jahren in seinen Bildern zeitgeschichtlich bedeutsame Ereignisse. Beispielhaft seien hier die Moga-Serie 1977 (Flugzeugentführung von Mogadischu) und die Jonction Bilder 1990 zur Wiedervereinigung angeführt.
Es zeigt sich also, dass bewusste Gestaltung und zeitgeschichtliches Empfinden auch in der facettenreichen Typenvielfalt des Informel anzutreffen sind und in ihrer künstlerischen Umsetzung zu qualitativ hochstehenden und ausdrucksstarken Ergebnissen führen können.

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