Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Samstag, 24. Juni 2017

MENSCH, WAS NUN ? Review auf eine Ausstellung

Mensch, was nun? Wenn Grenzen erreicht werden. Überschritten werden – gedankenlos, planlos, ohne Vision. Wenn Hybris den Blick verstellt. Welche Zukunft wartet? Wie viel Selbstbestimmung bleibt uns? Gebrochene, erschütterte Lebenswege, verlorene Perspektiven. Ratlosigkeit. Schicksalsergebenheit? Die Ausstellung stellt fundamentale Fragen nach den Möglichkeiten des in die Krise geratenen Individuums.


Eine Ausstellung mit 10 Künstlern vom  11.09.2016 bis 09.10.2016 
in der Schinkelkirche von Petzow/Werder.  

AUSSTELLENDE KÜNSTLER

DEJO Denzer 
Ellen Ernst 
Ekhard Gaede 
Olaf Kaminski 
Krystyna Kauffmann 
Helga Lehner 
Dietmar Steinkamp 
Fred Tille 
Gabriele Tille-Tagge 
Thomas Wiersberg


DEJO Denzer
Geboren und aufgewachsen in Ratingen / NRW Biologiestudium und Promotion in Bonn 1996 
Umzug nach Berlin 1998 
Atelier in Schönwalde 
Seit 1976 Ausstellungen deutschlandweit, USA, Frankreich
Seit 2000 Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins Kulturpunkt STILUS e.V.


Was nun, Mensch?
Bei dem Titel hatte ich sofort den Film: “Halt auf freier Strecke“ des deutschen Regisseurs Andreas Dresen aus dem Jahr 2011 im Kopf.

Es handelt sich um das Drama eines Berliner Familienvaters, der langsam an einem Hirntumor verstirbt. Eine ausweglose Situation, die anfangs sehr theoretisch die unausweichliche Entwicklung aufzeigt und schließlich immer realer wird.

Eine Situation die deshalb so beklemmend ist, da sich jeder plötzlich in einer solchen Situation wiederfinden kann. Ich setzte diese Situation mit Röntgenbildern um, die zeigen, was man sonst nicht sieht und eine Erkenntnis für den Betroffenen in sich birgt, die genau dem Titel der Ausstellung entsprechen.

Ellen Ernst
Geboren in Berlin, wo sie lebt und arbeitet.
Acryl- und Ölmalerei, Mischtechniken mit Spachtelmassen und Collageelementen.
Seit 1998 zahlreiche Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in Berlin und Brandenburg.

Erwartung

Zeit der Stille

Zeitlos

Höher, Schneller, Weiter - heißt die Devise der Selbstoptimierer, Überflieger, Perfekt-Timer und Zielerreicher. Grenzenlos die Erwartungen, scheinbar grenzenlos die Möglichkeiten optimal vermessen und analysiert beim Selftracking per Smartphone und Lifelogging-App. 

Heute ist längst von gestern. Aber wohin führt uns das, wonach wir gerade streben? Überholspur zum Glück oder auf der Strecke bleiben? Worauf kommt es wirklich an? Und was wollen wir weitergeben und für spätere Generationen erhalten?

Ekhard Gaede
Geboren in Potsdam/Babelsberg, lebt in Berlin. 1966 Beginn der fotografischen Tätigkeit.
Veröffentlichung von Fotografien im Reiseführer „Thailand“ des Verlages „Scheuble & Baumgartner“, 1990.
Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen in Berlin und Brandenburg



Und was nun?
Gerettet aus den idyllischen Fluten der Meere, gestrandet an den Gestaden Europas, eingewandert in die Hoffnung – wie auch jene, denen man oftmals, mehr oder weniger, teilnahmslos zuschaut, wie sie sich durch den Großstadtdschungel schlagen und im Treibsand steckenbleiben.

Sie alle, ob Flüchtlinge, Obdachlose oder Arbeitslose, kämpfen um ihre Würde, um ein anerkennendes Miteinander in unserer Gesellschaft. Geben wir ihnen die Chance, es zu verwirklichen!

Olaf Kaminski
Geboren 1950 in Berlin. Studium an der HdK Berlin und der Uni Hildesheim. Malt, zeichnet, illustriert Bücher und Plakate. Arbeitet als Musiktherapeut in Berlin.

Nostradamus

Profanes zum Thema
Nur der Mensch ist menschlich. Er will gut sein und kämpft jeden Tag gegen seine Dämonen. Nichts Böses soll in meinen Gedanken sein. In den Fabeln La Fontaines und in Maupassants Le Docteur Héraclius Gloss übernehmen die tierischen Protagonisten ausgerechnet die hässliche Seite der Menschlichkeit. Gier, Missgunst, Stolz und Arroganz zeichnen sie aus. Ich präsentiere die Abstrahierung eines Pferdekopfes mit menschliche Zügen.

In Jonathan Swifts Satire verhandelt Gulliver mit den über die Menschen (Yahoos) regierenden Pferden und bietet sein Taschenmesser für eine kleine Gefälligkeit zum Tausch an, Diese Szene und das bizarre Auftauchen Nostradamus‘ in Heinrich Manns Roman Henry IV, bei dem er dem siebenjährigen vor ihm stehenden nackten Prinzen seine Zukunft als König von Frankreich voraussagt, habe ich bei der Arbeit an meinem Bild im Hinterkopf.

Mir gefällt die Vorstellung Peter Sloterdijks: der Mensch als Schwebewesen in Räumen, die kein Physiker kennt (Sphären Bd.1). Eine Chance für Empathie und Menschlichkeit? Doch schon fällt mir Madame Ming ein: „La vérité m‘a toujours fait regretter l‘incertitude .“Die Wahrheit lässt mich immer der Ungewissheit nachtrauern. (Éric-Emmanuel Schmitt)

Krystyna Kauffmann
Geboren in Graudenz an der Weichsel. Lebt und arbeitet in Caputh am Schwielowsee. Buchautorin, Kuratorin und Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie.

Jakob

Bewahre meinen Stress!
Ein Toter und fünf für immer gezeichnete Opfer bei einem Medikamententest - im Namen des Guten für die Menschheit. Bei dem getesteten Medikament bestand die gewünschte Wirkung in der Heilung von Stresszuständen und somit die Erlangung beinah perfekter Seeligkeit. 

Es sollte den eigenen Antistress-Mechanismus des Menschen auf Volldampf bringen und Leiden wie Schmerzen, Depressionen, Übergewicht, Angstzustände und sogar Schizophrenie würden einer friedlichen Entspannung weichen.

Ein Toter und fünf Probanden mit schweren, irreparablen neurologischen Symptomen als Folge von Hirnblutungen und abgestorbenem Hirngewebe sind der Preis der Forschung auf dem Weg der Erkenntnis, dass es möglicherweise Grenzen gibt, den Menschen in ein fügsames, friedliches Wesen zu verwandeln. 

Ein stressfreies Leben – ein Traum der Science Fiction. Keine „negativen“ Emotionen, niemals wütend, keine Angst, perfekte Figur, keine Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit, um meine Überzeugung um meinen individuellen Wert in der Gesellschaft.

Bewahre Deinen eigenen Stress. Taste meine Cannabinoide nicht an! Lasse mich frei für: Zweifel Angst Trauer Wut Flucht

Teil 2 Review folgt demnächst

KULTURPUNKT STILUS
Der Kulturpunkt Stilus e.V. ist eine Gruppe von Künstlern, die in den verschiedensten Kunststilen und Ausdrucksformen arbeiten. Dabei ist der gesellschaftskritische Bezug bei vielen der Künstler essentiell. Allen gemeinsam ist es, Vielfalt und Toleranz als Stärke zu verstehen und so neue Sichtweisen zu entwickeln. Die Darstellung von Disharmonien und Konflikten bildet ein weiteres zentrales Moment der Arbeiten der Stiluskünstler, die sich in diesem Jahr das Thema „Mensch, was nun?“ gestellt haben.


Copyright für Texte, Werkabbildungen, Fotos bei den Künstlern.





Montag, 3. April 2017

Guernica in Berlin | Vor 80 Jahren entstand Picassos berühmtes Antikriegsbild

Vor 80 Jahren schuf Picasso das berühmteste Antikriegsbild der Gegenwart Guernica. Im Auftrag der spanischen Republik sollte er ein eindrucksvolles monumentales Wandgemälde für den Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937 malen. Mit Picassos Werk wollte die Republik international gegen den faschistischen Putsch-General Franco protestieren, der Spanien erst ein Jahr zuvor in einen blutigen Bürgerkrieg (1936-1939) gestürzt hatte.
Der Spanische Bürgerkrieg endete mit dem Sieg der Anhänger Francos und der Truppen seiner Verbündeten aus Italien und Deutschland. Ihm folgte das Ende der Republik Spanien und die bis zum Tode Francos 1975 anhaltende Diktatur (1939–1976).

Nachbildung des Gemäldes auf Fliesen als Wandbild in Originalgröße in der Stadt Gernika 
 Quelle: Wikipedia | CC BY-SA 3.0


Die Zerstörung der spanischen Stadt Guernica


Guernica, die heilige Stadt der Basken, liegt östlich von Bilbao im Norden Spaniens.
Der Luftangriff auf Guernica am 26. April 1937 durch deutsche Kampfflugzeuge der Legion Condor war eine militärische Operation während des Spanischen Bürgerkrieges im Baskenland. 

Die Legion Condor war für den Hauptteil des Bombardements verantwortlich. Auch das italienische Militär war an der Operation beteiligt. Dieser Luftangriff war der erste Verstoß der deutschen Luftwaffe gegen das Kriegsvölkerrecht.

Durch die Bomben und das anschließende Großfeuer wurden etwa 80 Prozent aller Gebäude zerstört. Hunderte von Menschen wurden durch den Angriff getötet. Die Bombardierung war ein gezielter Schlag gegen die Zivilbevölkerung, um diese im Kampf gegen Franco zu demoralisieren.

Das von der Legion Condor zerstörte Guernica
Quelle: Wikipedia | Bundesarchiv, Bild 183-H25224 | CC-BY-SA 3.0
Es wurden keine Änderungen vorgenommen (Originalbild) 

Das Bild Guernica


Kurz nach Bekanntwerden der Bombardierung Guernicas entwarf Pablo Picasso sein Monumentalgemälde. In schwarzen, grauen und weißen Farbtönen zeigt es den Schrecken jenes Apriltages.

Picasso erreicht durch die Verwendung universeller, bildlicher Elementarformen eine hohe Verständlichkeit. So lässt sich auch erklären, dass Guernica zu einem der am meisten zitierten Bilder der Welt gehört.

Heute befindet es sich zusammen mit einer umfangreichen Sammlung von Skizzen im Museo Reina Sofía in Madrid. Anlässlich des 80. Jahrestages der erstmaligen Veröffentlichung von Guernica zeigt das Museum in der Ausstellung mit dem Titel Mitleid und Schrecken bei Picasso. Der Weg nach Guernica die Entstehungsgeschichte des Bildes. Dieses Bild gilt bis heute als das bekannteste Antikriegsbild der Geschichte.

Guernica in Berlin: Drei Beispiele


Picasso äußerte sich Dezember 1937 zu seiner künstlerischen Haltung folgendermaßen:

„Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“

Diese künstlerischen Haltung ist bis heute zum Leitbild vieler Künstlerinnen und Künstler geworden, die sich der bedeutenden Rolle der Kunst angesichts von Krieg und Gewalt bewusst sind. Anlässlich des 80. Jahrestages der erstmaligen Veröffentlichung des Bildes Guernica möchte ich einige Beispiele aus Berlin vorstellen.


Das erste Beispiel hat nur indirekt mit Kunst aber direkt mit Guernica zu tun. Im gutbürgerlichen Berlin- Zehlendorf gibt es mit dem Guernicaplatz eine Erinnerungsstätte an dieses Verbrechen, das hunderte Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte.

Die beiden anderen Beispiele zeigen aktuelle Werke des spanischen Street-art Künstlers Gonzalo Borondo und des Berliner Dokumentarfotografen Kai Wiedenhöfer. Beide Künstler haben viel darüber nachgedacht, wie man Krieg und Migration visualisieren könne.

Borondo hat sich des Flüchtlingsthemas angenommen. Seine Botschaft lautet: "Lasst uns offen sein. Hören wir auf, uns das Drama von der sicheren Seite anzuschauen“.
Wiedenhöfer hat sich dafür entschieden, die Schrecken des Syrienkrieges anhand persönlicher Geschichten zu erzählen.

Borondo und Wiedenhöfer wollen mit ihrer Kunst nicht das Schöne, Hübsche, Glatte und Gefällige ausdrücken. Ihr Kunstverständnis will das Wirken der Realität nicht verleugnen. Durch ihren politischen Kunstanspruch verwandeln sie die Realität in Kunst oder fotografische Dokumentation. Damit schärfen sie beim Betrachter den Blick für unmenschliche Zustände in der Gegenwart. Als Künstler übernehmen sie nicht die Aufgaben des Journalisten, Politologen oder Soziologen. Mit eigener Handschrift machen sie vielmehr eine persönliche Aussage.

Beispiel 1: Guernica-Platz. Gedenken im Grünen in Berlin-Zehlendorf. 


Ein eher unscheinbarer, kleiner Platz, der nicht gerade zum Umherlaufen oder Verweilen einlädt. Die Grünfläche an einer Straßenecke trägt den Namen Guernicaplatz . An der von dichtem Buschwerk bewachsenen Ecke Spanische Allee und Breisgauer Straße befindet sich die gut sichtbare Gedenktafel . Sie wurde im November 1998 aufgestellt.

Originaltext der Gedenktafel:
Die Stadt Guernica wurde von der deutschen Flugstaffel der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg 1937 zerstört.
Dieses Verbrechen forderte viele Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Die Spanische Allee erhielt ihren Namen anläßlich der Rückkehr der Legion Condor 1939.

Original text of the memorial tablet:
The city of Guernica was destroyed by the german flight-squadron of the Legion Condor
in the Spanish Civil War in 1937.
This crime prompted many victims among the civilian population.
The Spanish Avenue received its name on the occasion of the return of Legion Condor in 1939.

Zur Zeit des deutschen Luftangriffs hieß die Spanische Allee noch Wannseestraße. Die Umbenennung erfolgte im Juni 1939. Anlass war eine Siegesparade der aus dem Spanischen Bürgerkrieg zurückgekehrten deutschen Soldaten der Legion Condor. Mit dem Namen Spanische Allee sollte an den gemeinsamen Sieg erinnert werden.

Welches Kriegsverbrechen sich hinter dem Namen Spanische Allee verbirgt, ist heute kaum noch bekannt. Der Gedenktafel ist es zu verdanken, dass  an die historischen Hintergründe erinnert wird.

Beispiel 2: In Berlin-Tegel sorgte ein Wandbild für Aufregung und Ärger, in der ein verletztes Mädchen in einer Blutlache steht 


Ein riesiges vom spanischen Künstler Gonzalo Borondo geschaffenes Kunstwerk an einer Hochhauswand in Tegel-Süd erhitzt die Gemüter von zahlreichen Anwohnern an der Neheimer Straße. Das mehr als 42 Meter hohe Wandbild zeigt eine trostlose Waldlandschaft vor düsteren Wolken. Darin steht ein blutüberströmtes Mädchen in seiner eigenen Blutlache. Im Hintergrund ist ein an einen Baum genagelter nackter Mensch zu erkennen.



Ist das Kunst, was dort auf die Hochhausfassaden gemalt ist?
Ja, sagt die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag die dem spanischen Street-Art-Künstler den Auftrag erteilt hat. Eine mutige Entscheidung, die dem Wohnungsunternehmen große Proteste eingebracht hat.
Nein, sagen viele Anwohner. Zum Beispiel die Eltern einer gegenüberliegenden Kita. "Es ist sehr, sehr erschreckend. Am schlimmsten ist der aufgespießte Mensch."  

Das Werk ist Teil des Kunstprojektes Artpark Tegel. Geplant sind insgesamt sieben Werke von Straßenkünstlern des Projekts Urban Nation. 

Der Künstler Borondo verteidigt sein Werk auf Facebook. "Ich mache Kunst und keine Dekoration." Auf einer weiteren Website kommentiert der Künstler seine künstlerischen Beweggründe:

„The artist has the responsibility to struggle every time with the facade to offer a message and open a dialogue, but this doesn’t mean that the message has to be universal, immediate or easy to get. Also the process is way more complicated than that and needs to be the result of a real and deep relation build with the community not only by the artist, but prior by the cultural players working in the area. I don’t suggest happiness with bright colors, I make art and not decoration“.  

Sicherlich hätten sich die Bewohner harmlose Bildmotive wie an dieser danebenliegenden Wand gewünscht. 
Collin van der Sluijs and Mr. Super A  


Beispiel 3: Der Berliner Dokumentarfotograf Kai Wiedenhöfer klebt Kriegsbilder aus dem Syrienkonflikt auf die Rückseite der East Side Gallery in Berlin -Kreuzberg/Friedrichshain. 


Seit 2012 ist der Berliner Fotograf Kai Wiedenhöfer immer wieder mit der Kamera in Syrien unterwegs.

Von einer Million verletzten Syrern und Syrerinnen, die seit Beginn des Kriegs in ihrem Land auf der Flucht sind, hat Wiedenhöfer 40 von ihnen in Flüchtlingscamps und Zeltstädten in Jordanien fotografiert. Aber kein Museum, keine Institution wollte die Bilder ausstellen. Um diese Fotos der Öffentlichkeit dennoch zugänglich zu machen, hat er sie an die Berliner Mauer geklebt. 

Auf der von der Straße nicht einsehbaren Rückseite der East Side Gallery zeigte seine Ausstellung WAR on WALL auf 340 Metern Mauerlänge bis zum 25. September 2016 Panoramabilder des zerstörten Syriens und Fotos seiner ehemaligen Bewohner.

Er hat sich dafür entschieden, die Schrecken des Konflikts anhand persönlicher Geschichten zu erzählen. Neben den menschengroßen Porträtfotos der Kriegsverletzten sind ihre Schicksale auf die Mauer geklebt. 


Yumna,6 und Aid,8


Khaled, 17

Zwischen den Menschen sind immer wieder drei mal neun Meter große Panoramaaufnahmen der zerstörten Stadt Kobane zu sehen. Ruinen, Trümmer, Stadtskelette. Sie zeigen die grausamen Zerstörungen eines Krieges, der noch immer nicht beendet ist.



Die Internationale Liga für Menschenrechte hat den Fotografen Kai Wiedenhöfer für seine Zivilcourage und seinen tatkräftigen Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte sowie für die Aufklärung über Ursachen von Flucht und Migration 2016 mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet.  

WAR on WALL - Ausstellung an der Eastside auf YouTube, 3:10

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Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf Picasso zurückkommen. In Anlehnung an Picassos Guernica haben sich bis heute viele Künstler mit diesem Bild auseinandergesetzt. Auch in Form von Graffitis und Murals wie das folgende Beispiel La Buerlinica des Künstlers Cacciatore zeigt.

Im Originaltext seines YouTube Videos schreibt er: „Tribute to Pablo Picasso. A protest as Guernica La Buerlinica. Against all wars and weapon business from 1937-2009."

YouTube Video: La Buerlinica Berlin Wall. By cacciatore 1990/2009. 5:58


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La Buerlinica von Cacciatore an der 
East Side Gallery in Berlin .

Picasso soll auch das letzte Wort gehören.
In der Literatur wird immer wieder ein Dialog im Pariser Atelier Picassos zwischen dem Künstler und einem deutschen Soldaten aus dem Jahr 1944 geschildert. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass dieser Dialog tatsächlich stattgefunden hat. Dennoch bildet er einen guten Schluss:

Der Soldat erblickte eine verkleinerte Reproduktion des Bildes Guernica und fragte:
„Haben Sie das gemacht?“ Picasso antwortete: „Nein, Sie!“ (1)

Quellennachweise:

(1) Holger Liebs: Picassos „Guernica“ wird 70 – Der unsichtbare Feind. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Mai 2010 

Sämtliche Fotos: Fred Tille mit Ausnahme der Foto-Einzelnachweise

Montag, 6. Februar 2017

Uncertain Journey - Chiharu Shiota in Berlin

Chiharu Shiota lebt und arbeitet seit 1996 in Berlin. Hier studierte sie auch an der Universität der Künste. Sie durchlief eine klassische Ausbildung als Malerin, fühlte sich aber zu sehr durch die Leinwand eingeschränkt. Shiota zog es in den dreidimensionalen Raum. Heute stellt Chiaharu Shiota ihre Installationen international aus, in Galerien, Museen und auf Biennalen. Mit ihrem monumentalen Kunstwerk The Key in the Hand repräsentierte sie Japan auf der Biennale di Venezia 2015. 

Coming soon


Berlin ist seitdem zu ihrer zweiten Heimat geworden. Für Chiharu Shiota ist die Stadt voller Inspirationsquellen. In Berlin findet sie viele Geschichten. „Es [ist], unglaublich wie viele Erinnerungen diese Stadt [birgt]“ erzählte die Künstlerin in einem Interview.  

Zwei Begegnungen mit Chiharu Shiota

Das erste Mal begegnete ich dem Werk Chiharu Shiotas 2015 in Venedig. Unter dem Titel The Key in the Hand repräsentierte sie Japan auf der Biennale di Venezia 2015.

Das zweite Mal begegnete ich dem Werk Shiotas 2016 in der Berliner Galerie Blain|Southern, in der eine neue großflächig angelegte, speziell auf die Räumlichkeiten abgestimmte Installation mit dem Titel Uncertain Journey präsentiert wurde. Für Chiharu Shiota war es nach acht Jahren wieder eine Einzelausstellung in Berlin und dementsprechend war das Publikumsinteresse sehr groß. Ich war nach The Key in the Hand in Venedig natürlich auch gespannt auf die neue Großinstallation in Berlin.

Hier eine Gegenüberstellung der beiden Werke:

Links: Venedig | Rechts: Berlin
In Venedig setzte die Künstlerin alte, möglicherweise noch fahrtüchtige Holzboote ein. In Berlin sehen sie als Stahlgerippe wie gesunkene Boote aus. Auf die Frage, warum sie bei Uncertain Journey im Vergleich zu Venedig quasi nutzlose, skelettartige Boote verwendet hat, antwortet Shiota: „In Venedig war es das erste Mal, dass ich ein Boot in meiner Arbeit verwendet habe. Boote sind immer unterwegs und befördern Menschen-so sind auch wir in gewissem Sinne immer in einem Boot – bereit loszufahren, ohne genau zu wissen, wo wir hinwollen. Das ist die Idee, die ich mit dem Boot zum Ausdruck bringen will. Und die Boote befinden sich in einem roten Ozean aus Fäden, die alle miteinander verbunden sind. So wirkt die Installation wie das Universum.“ (1)

Die Macht der Marke | Rote und schwarze Wollfäden zum labyrinthischen Fadengespinst verwoben

Chiharu Shiotas Markenzeichen sind die Wollfäden. Sie spinnt mit ihren Wollfäden Dinge ein, die nicht vergessen werden sollen, Klaviere, Stühle, Kleider, Schuhe, und mit ihnen auch die Empfindungen und Gefühle der Menschen, die diese Dinge einst besaßen. Die japanische Künstlerin will festhalten, was vergänglich ist. 

Nicht um es zu fesseln, sondern um es zu schützen und zu erhalten. Viele Betrachter assoziieren mit den Stühlen, Kleidern und Schuhen Themen, die mit Flucht und Verlust zu tun haben. Doch diese Interpretation greift zu kurz. 

Mit ihren Kunstobjekten berührt Shiota Grundfragen menschlicher Existenz: Werden und Vergehen. Ankommen und Wegfahren. Sicherheit und Unsicherheit.  

Schlüssel als bedeutungsgeladene Objekte gehören fest zu Shiotas Repertoire.
Venedig: Keys in the Hand: 50.000 alte Metallschlüssel hängen in diesem Netzwerk. Alles echte Schlüssel, die Museen auf der ganzen Welt für die Künstlerin gesammelt haben. Für Shiota ist es wichtig, dass die Schlüssel eine Geschichte, einen Bezug zu Menschen haben. „Der Schlüssel beschützt das Leben“ erklärt die Künstlerin in einem Interview. Schutz auch für Venedig, als Metapher für die untergehende Lagunenstadt?
Berlin: State of Being (Keys) Hier hat Shiota viele alte Schlüssel in ihre Fadenwelt mit aufgenommen, die fast im freien Fall zu sein scheinen, aber von den Fäden aufgefangen werden.

Uncertain Journey 

Als ich den Ausstellungsraum betrat, war der erste Blick auf die sieben Meter hohe und 29 Meter breite Installation aufgrund seiner Größenwirkung beeindruckend. Die blutroten direkt und indirekt beleuchteten Wollfäden entfalten in dem großen, hohen Galerieraum intensiv leuchtende Farben und eine faszinierende Lichtstimmung. 

Auf mich hatte diese komplexe und mehrschichtige Fadenkonstruktion eine kontemplative Wirkung. Ich empfand einen Raum der Stille. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass nur wenige Meter vom Innenhof, in dem sich die Galerie befindet, die belebte und verkehrsreiche Potsdamer Straße vorbeiführt. 



Ich bewegte mich deshalb zunächst ziemlich frei und unvoreingenommen von vorher publizierten inhaltlichen Interpretationsangeboten in der Installation.

Durch Zufall gab es während der Laufzeit von Uncertain Journey auch ein Ausstellungsprojekt der Akademie der Künste Berlin mit dem Titel Uncertain States zu sehen. Über diese hochinteressante Veranstaltung werde ich demnächst berichten. Hierbei geht es nicht nur um das Uncertain in beiden Ausstellungstiteln. Diese große Veranstaltungsreihe in der Akademie der Künste fragt, was Kunst in Umbruchsituationen antreibt und ist damit „eine Ausstellung, in der die Bedeutung des Erinnerns und Erzählens für den Prozess gesellschaftlicher und kultureller Transformation befragt wird.“ (2) Künstler übernehmen die Verantwortung für die „Geschichten der Anderen.“ Mit der Betonung des Erinnerns und Erzählens gibt es viele Schnittmengen mit den Kernthemen von Shiotas Werk, die in ihren Wollfäden auch Erinnerungen und Dinge einspinnt, deren Geschichten einen direkten Bezug zu Menschen haben und die nicht vergessen werden sollen.

Uncertain Journey  | Blick in die Ausstellung

Uncertain Journey  | Blick in die Ausstellung

Chiharu Shiota selbst erkennt in dem Fadengespinst von Uncertain Journey auf dem Kopf stehende Wellen. Nach eigener Aussage verwendet die Künstlerin hier das Motiv des Bootes, um die Ungewissheit unseres Lebens und den Versuch, Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen, bildhaft darzustellen. 

Wohin die Reise geht, bleibt unklar. Ob nun zu einem anderen Kontinent oder ins eigene Unterbewusstsein, das ist der Vorstellung jedes Besuchers überlassen.  

Kleinere Werke im 2. Stock der Galerie 

Im 2. Stock der Galerie werden acht kleinere Arbeiten gezeigt. Hierzu geht der Besucher über einen Steg in den Ausstellungsraum.

Von diesem Steg blickt er auf die armdicken Befestigungsstränge der Wollfäden in den Saal hinunter. 

An der oberen Bildkante ist der Steg zu sehen. Von dort blickt der Besucher auf die armdicken Befestigungsstränge der Wollfäden in den Saal hinunter.

Zu sehen gibt es vier kleinere Skulpturen und vier wandhängende dreidimensionale Arbeiten.

Diese kleinen Arbeiten haben es schwer gegen die kolossale Installation im darunterliegenden Stockwerk anzukommen. 

Auf mich wirkten diese Kleinobjekte deshalb auch etwas kunsthandwerklich.

State of Being (Keys), 2016, 150x100x75 cm, Metal frame, keys, thread

Strange Home 1 und 2, Metal frame, thread, 2016

Skin, 2016, Thread on canvas, 166x153 cm

Am Ende wird alles zerschnitten

„Nach einer Ausstellung zerschneide ich die ganze Installation und sie existiert nicht mehr, so dass ich sie von neuem machen müsste. Meine Arbeit lebt nur in der Erinnerung der Menschen weiter.“ (2)

Welche Erinnerung wird von Uncertain Journey bleiben? Eine Reise ins Ungewisse?



Shiharu Shiota

Geboren 1972 in Osaka, Japan
Shiota studierte von 1992 bis 1996 an der Seika-Universität Kyōto.

1999 wechselte sie an die Universität der Künste Berlin und beendete ihr Studium dort 2003.

Von 2010 bis 2013 war sie Gastprofessorin an der Seika-Universität Kyōto und 2011 am California College of the Arts. (3)

Blain|Southern
CHIHARU SHIOTA | UNCERTAIN JOURNEY
17 September 2016 – 12 November 2016
Berlin

Galerie Blain|Southern
Potsdamer Straße 77–87
10785 Berlin
+49 (0)30 6449 31510
berlin@blainsouthern.com

Weiterführende Links:

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Chiharu Shiota, Uncertain Journey at Blain|Southern Berlin
Erklärungen der Künstlerin und Bilder vom Aufbau der Installation

Quellen:
    (1) Begleitmaterial zur Ausstellung. Chiaru Shiota im Gespräch mit Craig Burnett, Blain|Southern

    (2) Begleitmaterial zum Ausstellungsprojekt der Akademie der Künste Berlin mit dem Titel Uncertain States

    (3) Wikipedia

Sämtliche Fotos: Fred Tille

Obwohl meine Fotos nur allgemeine Ausstellungsansichten und keine expliziten, detaillierte Werkfotos zeigen, bitte ich die Urheberrechte der Künstlerin, Shiharu Shiota an ihren Werken zu beachten.

Courtesy of Galerie Blain|Southern