Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Sonntag, 16. Februar 2014

Art War

Junge ägyptische Streetart-Künstler nutzen die Mauern Kairos als Wandzeitungen der Revolution | Ein Film von Marco Wilms 

Kann man Kunst und Politik zusammenbringen? Eine Fragestellung, die von unserem westlich geprägten etablierten Kunstbetrieb oftmals mit einem klaren „Nein“ beantwortet wird. Doch wo endet die Politik? Wo beginnt die Kunst? Alltag und Kunst dürfen nicht miteinander verschmelzen, fordern die Vertreter, die sich gegen eine politische Vereinnahmung von Kunst wehren. Im Gegenteil: Kunst sollte autonom, frei von Absicht und völlig nutzlos sein. Kunst soll nichts vorspiegeln, keine Geschichten erzählen und keine Wirklichkeit abbilden.
Für die jungen ägyptische Streetart-Künstler und Maler, die Marco Wilms in seinem Dokumentarfilm „Art War“ portraitiert, stellen sich diese akademischen Fragen nicht. Für sie schließen sich Künstlersein und politischer Aktivismus nicht aus. Im Gegenteil: Sie stellen ihre künstlerischen Fähigkeiten bewusst in den Dienst der Revolte.

Filmplakat als Werbepostkarte ausgelegt im Kino Moviemento | Berlin-Kreuzberg

Nachts tauchen sie im Dunkel von Kairos Gassen ab. Mit Stencils sprühen sie Steckbriefe von Polizisten an die Wände. Der Film schildert z.B. wie sich im November 2011 ein Künstler unerkannt unter die Scharfschützen mischt und einen Polizisten dabei beobachtet, wie er neunzehn Demonstranten in die Augen schießt. Er fotografiert ihn. Die Künstler verbringen die nächsten Nächte damit, sein Konterfei an die Wände der Stadt zu sprayen: „Wanted“. Die Bevölkerung sucht und findet ihn. Er wird bei den Behörden angezeigt und rechtskräftig verurteilt. Hier fallen Leben und Kunst unmittelbar zusammen. 
Die Stärke von Marco Wilms Film besteht darin, die Revolte konsequent aus der Sicht und den Aktionen der Künstler zu zeigen. Art und War. Marco Wilms begleitet junge Künstler in der Zeit nach dem Sturz Mubaraks bis zur Entmachtung des Präsidenten Mursi und der Muslimbrüder durch das Militär. Die Künstler gehen für ein freies Ägypten auf die Strasse. Sie leben gefährlich. Sie sind körperlichen Angriffen und sogar Folter ausgesetzt und ihre Arbeiten werden immer wieder übersprüht.

Quelle: Werbepostkarte aus dem Moviemento Kino | Berlin-Kreuzberg

In Ägypten sind alle dissidenten Gruppen von Gegnern umzingelt. Das Mubarakregime tötete die Demonstranten, die Muslimbrüder jagen die Künstler, das Militär bekämpft die Muslimbrüder, die Künstler bejubeln das Militär. Die Graffitis auf den Wänden der Stadt dokumentieren das Trauma einer ganzen Generation. In gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen verschwimmen die Grenzen zwischen kreativem Widerstand und politischem Aktivismus. Immer wieder fragen sich die Künstler, wo endet die Politik, wo beginnt die Kunst und ob das, was sie machen überhaupt sinnvoll ist. Bahia Shehab, eine der Künstlerinnen, die in ihren Arbeiten das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung und Selbstbestimmung fordert, antwortet darauf: "Ein junger Mann sagte mal zu mir, dass wenn er sehr niedergeschlagen ist und dann diese Bilder auf der Strasse sieht, dann gibt ihm das Hoffnung“.



Weiterführende Links:


ZDF Aspekte: Unerschrocken | Die ägyptische Street-Art von Bahia Sehab

Samstag, 1. Februar 2014

Weiter, immer weiter.

Metropolis. Überall und nirgends. Düstere Katakomben und ewige Gärten. 
Heiter und sorglos im bröckelnden Arkadien. Die brennenden Hochhaustürme 
von Sarajewo und New York? Weiter.
Bikiniatoll, Seveso, Bophal und Tschernobyl? Weiter, weiter. 
Ruanda, Bagdad und Kabul? Weiter, immer weiter. 
Lehman Brothers? Ozonloch und Multi-GAU? Weiter!  
Business as usual. Netznomaden verloren im Global village.
Es steht nicht gut um uns. Innehalten? Weiter, immer weiter.
Am Ende, wenn nichts mehr geht, zerschellen alle Verdrängungen, 
Hoffnungen und Verheißungen.
Es ist soweit. Endzeit. Rien ne va plus! Metropolisblues. 
Ein Bildertanz im Stand-by-Modus einer vermeintlich goldenen Zeit.



Weiter, immer weiter | Acryl a. Lwd. | B 80cm x H 100cm | 2010