Die Galerie im
Taxispalais zeigt vom 13. September bis 23. November 2014 die erste
österreichische Überblicksausstellung des Malers Daniel Richter(*1962 in
Eutin), der zu den wichtigsten deutschen
Künstlern seiner Generation zählt. Richters Werk spiegelt nicht nur den
fundamentalen Wandel wider, den das Medium Malerei erfahren hat, seine Bilder
bestechen auch durch ihre sinnlich wie intellektuell anspielungsreichen,
verschlungenen Interpretationen und Analysen von Kunst und Gesellschaft. Die
Werkschau präsentiert Daniel Richters künstlerisches Schaffen seit der
Jahrtausendwende und konzentriert sich damit auf seine figürlichen Werke. Unter
den 23 in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler ausgewählten Bildern befinden
sich Hauptwerke aus den vergangenen 14 Jahren ebenso wie neue Arbeiten, die
hier erstmals gezeigt werden. Anhand wichtiger Meilensteine seiner
künstlerischen Entwicklung spannt die Ausstellung den Bogen von Richters ersten
figurativen Gemälden bis in die Gegenwart und veranschaulicht so dessen
thematischen wie stilistischen Werdegang. (Quelle: Pressemitteilung Taxispalais)
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Eingangsportal vom Taxispalais mit Werbebannern |
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Kunst und Leben
Auf
dem Weg in die Ausstellung begegnete ich dem Protest einer kurdischen
Aktivistengruppe, der sich gegen den Terror der Milizen des IS wandte. Mitten
auf der belebten Maria - Theresien - Straße hatten sie einen Infostand
aufgebaut. Eine Aktivistin hielt ein handgemaltes Transparent mit der
Aufschrift „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ hoch. Damit verwies sie auf die
zahlreichen Plakate, die auf dem Straßenpflaster ausgelegt waren. Sie
dokumentierten die Gräueltaten der Terrormilizen und das Elend der
Bürgerkriegsflüchtlinge.
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Innsbruck | 24. September 2014 |
Mit diesen Eindrücken im Kopf betrat ich das nur
wenige Meter entfernte Taxispalais und schon im ersten Ausstellungsraum hatte
ich das Gefühl, das sich der politische Protest von draußen hier drinnen
fortsetzte. Das liegt am künstlerischen Ansatz von Daniel Richter, der zeigen
will, dass auch heute mit Malerei gesellschaftspolitische Wirklichkeit
reflektiert werden kann. Vor allem die Werke D.O.A.XL2011 und D.O.A.XL2012,
in denen bewaffnete, dunkle Gestalten den Bildraum stürmen, könnten die dargestellten
Kämpfenden aus den Kriegsberichterstattungen von den aktuellen Krisenherden abgeleitet
sein. Richter bemerkt in einem Gespräch dazu: „Man braucht die Wirklichkeit
nicht, um ein Bild zu malen, aber man braucht die Wirklichkeit, um ein Bild zu
erkennen.“ (Quelle: Begleitbroschüre zur Ausstellung).
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In der Ausstellung: D.O.A.XL 2011 |
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In der Ausstellung: D.O.A.XL 2012 |
good,
bad and ugly = goo bugly
Chromos
goo bugly ist ein etwas seltsamer Titel, dessen Sinn
sich für den Ausstellungsbesucher nicht von selbst ergibt. Das ist typisch für
Richter, der die Quellen seiner Bild- und Ausstellungstitel gerne kryptisch formuliert.
"Goo
bugly" hingegen beruhe nach eigener Aussage auf einer
Zusammenziehung von good, bad and ugly. Es handle sich dabei um eine
"Wortinnovation", erklärte der Künstler bei einer Presseführung zur
Eröffnung der Ausstellung. Ansonsten gilt Wiederkennungs- und Assoziationsfreiheit,
betonte der Künstler. Als Richter beim Pressegespräch animiert werden sollte,
etwas zu den ausgestellten Werken zu sagen, sagte er: "Aber sie alle haben
ja Augen in den Gesichtern". Er
empfahl den Anwesenden abschließend: "Die Bilder für sich sprechen zu lassen.“
Ein Bild
sagt mehr als 1000 Worte; Hier
schließt sich wieder der Kreis zu Kunst und Leben und damit zum eingangs
erwähnten aktuellen tagespolitischen Protest; draußen-vor der Tür.
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Innsbruck | 24. September 2014 |
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Die Bilder für sich sprechen lassen
Seine Werke behandeln
komplexe malerische und gesellschaftliche Fragestellungen. Richters Bilder sind
voll von Assoziationen, Zitaten und Anspielungen auf Kunstgeschichte, Politik
und aktuelle Ereignisse. Er verarbeitet Werbeplakate, Comics und Jerry Cottons
„Cuba connection“, Pressefotos und Fernsehbilder und entwickelt dabei eine
eigene Bildsprache. Einige seiner Inspirationsquellen dokumentiert Richter auf
den ersten vierzig Seiten des ausgezeichneten Katalogs zur Ausstellung, an dem
er persönlich mit großem Engagement mitgewirkt hat. Noch immer ist in seinen
neonfarbenen, leuchtenden Bildern und den transparent,lasierend gemalten
Körperumrissen sein künstlerischer Ursprung in der autonomen Politkultur des
punkigen Undergrounds von Hamburg zu spüren. Auf mich wirkten einige Bilder wie
ausgearbeitete Graffitikunst, wie Ikonen der Sprayerkultur.
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Blick in die Ausstellung | |
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Blick in die Ausstellung |
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Blick in die Ausstellung |
Daniel Richter als politischer Maler
Daniel
Richter verbindet mit seiner Künstlerrolle gesellschaftliche Verantwortung. Er
stellt sich die Frage: Für wen soll ich eigentlich malen und welchen Inhalt
müssen meine Bilder haben? Die Bilderwelt des Daniel Richter prangert
Missstände unserer zeitgenössischen Lebenswelten und abgründigen,
weltpolitischen Zustände an.
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Ausstellung | Raum 1 mit "Jawohl und Gomorrah", links |
Richter entwickelt in
seinem Œuvre eine politische Dimension, die die Malerei selbst besitzt.
"Es reicht, gemessen an eigenen politischen Ansprüchen, nicht aus,
rassistische Gewalt abzubilden", formuliert Richter in einem Gespräch mit
dem Kurator Philipp Kaiser, "denn für den Faschisten ist auch die
Darstellung faschistischen Unrechts ein Genuss, vielleicht sogar sein einziger,
denn in diesen Bildern beweist sich seine Macht. So ist die moralische
Eindeutigkeit dieser Bilder eben auch ihre Schwäche." (Quelle: ART-Kunstmagazin,
5/09, S. 43) Der wirkt er entgegen. Skeptisch gegenüber allen Botschaften,
setzt er die eigenständige, ästhetisierende Kraft der Kunst ein, um fernab vom
Abbildcharakter überzeitliche Gefährdungen der humanen Orientierung
aufzuzeigen. Dieses Kunstverständnis und seine Art zu malen, kommt meinem
eigenen künstlerischen Ansatz sehr entgegen. Auch Richter malt Bilder aus der
Zeit um 5 nach 12 und versucht künstlerische Antworten auf eine Welt zu finden,
die aus den Fugen geraten zu sein scheint.
Seine neuesten Werke
Seine neuesten Werke Halber Akt, the call oder
the
message sind für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig, da ich persönlich
seine großformatigen, farbstarken, oszillierenden Bilder eindrucksvoller finde.
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In der Ausstellung: the message |
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Rechtes Bild: the call
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Diese Bilder sind relativ
monochrom gehalten. Klar konturierte rechteckige Bildausschnitte werden von
verbogenen Baumstämmen und wuchernder Vegetation eingerahmt. Das Bildpersonal
wirkt ruhig, unaufgeregt mit sich selbst beschäftigt. Ihre Körperhaltungen und
Handlungen erscheinen diffus. „Ganz bewusst, habe er die Körperhaltungen so
gehalten, dass es nicht klar ist, ob das jetzt autoerotische Akte der Frustration
und Erschöpfung sind oder ob es Leute sind, die eine SMS verschicken.“ (Quelle:
Begleitbroschüre zur Ausstellung).
Hey Joe und Bas | Taliban
und Boatpeople
Aus dem
umfangreichen Werk von Daniel Richter möchte ich exemplarisch zwei große
Werkgruppen herausgreifen, in denen er sich mehrfach mit dem Kriegsgeschehen in
Afghanistan oder dem Irak sowie mit den Boatpeople beschäftigt.
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Im Vordergrund: HEY JOE |
In HEY JOE stehen der Malboro-Cowboy und der einheimische
Paschtune in friedlicher Eintracht beieinander. Der Turbanträger gibt dem
Cowboy Feuer. Zusammen mit den kargen Berglandschaften der Bilder im Nebenraum
assoziiert der Betrachter unwillkürlich unwegsame Gebirgswelten im Hindukusch,
Taliban und Kalaschnikows. Ist HEY
JOE eine Anspielung auf die einstige Unterstützung der Taliban
durch die USA gegen die Sowjetunion?
In
Bas
treibt ein kleines orangefarbenes Schlauchboot in einem gewaltigen Wellengebirge.
Die Menschen, die weder Motor noch Ruder zur Verfügung haben, um das Boot zu steuern,
klammern sich verängstigt aneinander.
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Rechtes Bild: Bas |
In dieser Werkgruppe gibt es
noch zwei ähnliche Bilder, namens Tarifa und Flash. Das Bild Flash
habe ich in der Ausstellung „60 Jahre 60 Werke“ vom 01.05.-14.06.2009 im Martin
Gropius Bau Berlin sehen können. Flash zeigt ein umgekipptes Boot, an
dem sich mehrere in einem dunklen Gewässer schwimmende Menschen festzuhalten
versuchen. Mit diesem Motiv knüpft Richter an die beinahe täglichen
Medienberichte über im Mittelmeer in Seenot geratene überfüllte
Flüchtlingsboote an.
In seinem Roman „Sand“,
der in einem fiktiven Ort namens Targar in Nordafrika spielt, stellt Wolfgang
Herrndorf ein Zitat des antiken Geschichtsschreibers Herodot an den Anfang des
ersten Buches seines Romans mit der Überschrift „Das Meer.“:
„Wir schicken
jedes Jahr – und scheuen dabei weder Leben noch Geld – ein Schiff nach Afrika,
um Antwort auf die Fragen zu finden: Wer seid ihr? Wie lauten eure Gesetze?
Welche Sprache sprecht ihr? Sie aber schicken nie ein Schiff zu uns.“
Heute aber
schicken die Menschen Afrikas Boote zu uns. Und welche Antworten geben wir?
Richter antwortet
mit seiner Malerei in sehr spezieller Form, indem er sich nicht davor scheut,
politische Verhältnisse zu ästhetisieren und damit künstlerisch adäquat
darzustellen. Obwohl Daniel Richter
eine Vielzahl seiner Inspirationsquellen aus den Printmedien, von Katastrophen
aller Art, Straßenschlachten, Bürgerkriegen und Protestaktionen bezieht, gibt
der Künstler selten direkte, explizite Hinweise auf bestimmte Ereignisse. Er
gestaltet mit den eigenständigen Mitteln der Malerei universale Aussagen zur
globalen Bedrängnis der conditio humana. In seinen Werken kommt eine für die
moderne Lebenswelt charakteristische Atmosphäre von Angst und Unbehagen zum
Ausdruck.
Fotos: Fred Tille
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