Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Sonntag, 17. März 2024

Cadillacs in Beton

 ZeitBild | Nr. 10


Zur 750-Jahr-Feier Berlins betonierte Bildhauer Wolf Vostell 1987 als Teil des Skulpturenboulevards entlang der Tauentzienstraße und des Kurfürstendamms zwei Cadillacs auf dem Rathenauplatz ein. Im letzten Jahr hat die Familie des Künstlers Wolf Vostell die Skulptur zum dritten Mal sanieren lassen. Die Beton-Cadillacs erstrahlen jetzt wieder in frischem Glanz. Für mich war das ein guter Grund auch unter dem Eindruck der aktuellen Debatten um die Verkehrswende einen Post über das Thema Kunst und Automobil zu schreiben.


Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja von Wolf Vostell


1987 hatten die einbetonierten Straßenkreuzer zu hitzigen Debatten geführt. Vostells Skulptur soll ein künstlerischer Kommentar auf die Blechlawine sein, die den Kurfürstendamm an seinem westlichen Ende in Richtung Stadtautobahn verlässt, bzw. von ihr in den Prachtboulevard einmündet. Vostells Intention war die Entlarvung des 24-stündigen Tanzes der Autofahrer ums Goldene Kalb. Im Titel seines Kunstwerks spielt Vostell auf das berühmte Gemälde von Francisco de Goya an, das um 1800 entstanden, erstmals eine nackte, für damalige Verhältnisse extrem freizügige auf einem Kissen ruhende Frau ohne allegorische oder mythologische Bedeutung darstellt.

Ich persönlich konnte beim Umkreisen des Werkes von Vostell keine Ähnlichkeitsbezüge zwischen der nackten Maja und den Cadillacs erkennen. Ich vermute aber, dass es dem Fluxuspionier Vostell eher um einen der Skulptur immanenten ironisch-spekulativen kulturkritischen Ansatz ging. Damit schuf er eines der umstrittensten Kunstwerke der Nachkriegszeit: Bürgerinitiativen und Verbände sahen damals nicht nur den Platz in Grunewald verschandelt, sondern das ganze Ansehen Berlins in Verruf gebracht. Damals funktionierte eine aus heutiger Sicht harmlose Kunstprovokation noch.


Blick auf die Skulptur ohne störende Autos. Die Beton-Cadillacs erstrahlen
 jetzt wieder in frischem Glanz.

Der Tanz der Autofahrer ums Goldene Kalb mag damals zum Zeitpunkt der Errichtung der Skulptur im Jahr 1987 noch eine gewisse Aktualität gehabt haben. Heute ist das Auto längst ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand geworden, um sich von A nach B zu bewegen. Wobei das Wort „Bewegen“ die alltäglichen Staus verniedlicht. Heute bekommt das Begriffspaar Auto und Beton auch eine ganz andere Bedeutung. Die Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“ blockierte in den vergangenen zwei Jahren in unzähligen Aktionen den Straßenverkehr in Berlin und auch bundesweit. Ihre Mitglieder klebten sich mit Vorliebe an den Auf- und Abfahrten der Stadtautobahn fest. Auch wenn nichts klebt und den Verkehr aufhält, würden einige Berliner heute über Vostells Skulptur vielleicht folgenden Kommentar abgeben:

Es gibt im Grunde nur wenige Möglichkeiten, die man in Berlin mit einem Auto haben kann: zu versuchen im Berufsverkehr termintreu sein Ziel zu erreichen, außerhalb der Hauptverkehrszeiten unter Umgehung von Demorouten zu fahren, es stehen zu lassen, oder es in Beton zu gießen, in die Mitte eines Kreisverkehrs zu stellen und es Kunst zu nennen. So geschehen auf dem Rathenauplatz am westlichen Ende des Kurfürstendamms.

Allerdings vor 37 Jahren.

Der Rathenauplatz aus der Sicht eines Autofahrers. An sich eine städtebauliche Ödnis, die nicht erahnen lässt, dass hier der berühmte Kurfürstendamm beginnt.

Das Auto als Gegenstand der Kunst  

Autos haben seit langem eine starke Präsenz in der Kunstwelt. Viele Künstler haben sich von der Ästhetik, der Technologie und der Kultur des Automobils inspirieren lassen. Das Auto als Symbol für Fortschritt, Freiheit und Mobilität hat Künstler dazu angeregt, es in ihren Werken zu thematisieren. Von Gemälden und Skulpturen bis hin zu Installationen und Performance-Kunstwerken - die Darstellung von Autos in der Kunst ist vielfältig und facettenreich. Dabei werden oft nicht nur die äußere Erscheinung der Fahrzeuge, sondern auch ihre soziale und politische Bedeutung reflektiert. Künstler haben sich immer wieder mit der dunklen Seite des Autos auseinandergesetzt, wie Umweltverschmutzung, Verkehrsstaus, Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und soziale Ungleichheiten im Zusammenhang mit Automobilen. Durch ihre Werke hinterfragen sie die glorifizierende Darstellung des Autos in der Popkultur und zeigen stattdessen die negativen Folgen der Automobilisierung auf. Die Verbindung von Kunst und Auto ist also ein faszinierendes und vielschichtiges Thema, das immer wieder neue Perspektiven und Interpretationen bietet. 


Drei Beispiele zur Darstellung von Autos in der Kunst 


Beispiel 1: Richard Prince

In einigen seiner Werke hat er das Auto als Symbol für Freiheit, Macht und Status verwendet. Prince hat Autos fotografiert, verfremdet und in seine Kunstwerke eingebaut, um die Beziehung zwischen Mensch und Maschine sowie die Bedeutung von Automobilen in der modernen Gesellschaft zu erforschen. Seine Arbeiten reflektieren oft die Faszination und Obsession, die viele Menschen mit Autos verbinden.

Covering Hannah wurde erstmals von der Pinault Collection bei der Gruppenausstellung „Mapping the Studio“ 2009 in der Punta della Dogana und im Palazzo Grassi in Venedig präsentiert Covering Hannah ist ein Buick, der vollständig mit einem Vinyldruck bedeckt ist, der die Körper großer, nackter Frauen zeigt.




Eine weitere Ansicht des Buicks von Prince

Beispiel 2: Siegfried Ulmer


Skulpturiertes BMW-Auto im Buchheim Museum Bernried, Starnberger See, Bayern Deutschland.

In der Nähe des Haupteingangs trifft man auf den Unterwassser-BMW von Siegfried Ulmer, der mit Meeresgetier besetzt ist: Buchheims alter BMW, vom TÜV aus dem Verkehr gezogen, wurde in ein Unterwassergefährt verwandelt.  


Beispiel 3: Dominique Zoinkpè

Kunstwerk zur Migrationsproblematik v.a. zur Erinnerung an Geflüchtete aus Afrika.

Taxi Luxembourg | Peugeot 403 / Pickup 1960.Verschiedene Materialien. Leihgabe aus der Sammlung Heidrun und Artur Elmer, Aalen im Museum der Fantasie, Lothar Günther Buchheim.



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