Diese superintelligente Menschmaschine,
die durch mind-uploading intelligenter, schneller, effektiver und
widerspruchsfreier agieren soll als der alte Mensch 1.0 zu
konstruieren, bedeutet noch sehr viel Arbeit und verschlingt auch
sehr viel Geld.
Deswegen hat Kurzweil 2008 im Silicon
Valley die Singularity University unter tatkräftiger Mithilfe
von Google und der Weltraumbehörde Nasa gegründet.
An der Transhumanismus-Hochschule
studieren neben Studenten auch Manager und Politiker. Sie werden im
exponentiellen Denken geschult. Die Quellen für ihre Visionen finden
die Transhumanisten in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung.
Auf dem Lehrplan der Elite-Uni, die
außerordentlichen Zuspruch erhält, stehen folglich Informatik,
Robotik, Neurowissenschaften, Luftfahrt, Nanotechnologien, Jura,
Statistik, aber auch praktische Übungen in Schwerelosigkeit.
Aus Tausenden Bewerbern, die bereit und
in der Lage sind für einen zehnwöchigen Kurs 25.000 US-Dollar
auszugeben, kann die Singularity University jährlich achtzig
Studenten auswählen. Die Lehrenden und Lernenden verstehen sich als
Think Tank der technologischen Elite und zugleich als globale
Botschafter ihres futuristischen Weltbildes. Ray Kurzweil ist mit
seinen Ideen bis ins Weiße Haus vorgedrungen. Das bekannte Brain
Project von Präsident Obama basiert nicht zuletzt auf Kurzweils
Visionen.
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Cyborg |
Wird der nächste US-Präsident ein
Cyborg sein (2)?Drei Schritte auf dem Weg zu einer
transhumanistischen Gesellschaft
In enger Zusammenarbeit mit der
Singularity University leiteten die Anhänger des
Transhumanismus in den USA im Jahr 2014 drei Schritte auf dem Weg zu
einer transhumanistischen Gesellschaft ein.
- Der Start des
Google-Biotechnologieprojekt Beendet das Altern und besiegt den Tod
- Die Intensivierung der BRAIN-Initiative
von Präsident Obama (Brain-Computer-Interfaces)
- Die Gründung der Transhumanistischen
Partei in den USA
Die Botschaft lautet: Die Technik wird
alles lösen, sie ist in ihrem unaufhaltsamen und teilweise
unumkehrbaren Fortschritt der universelle Hebel zur Lösung der
globalen Menschheitsprobleme.
Damit will sich die radikale
internationale Technikcommunity in das Ringen um konkrete politische
Macht einschalten und die Ideen des Transhumanismus zu einem
dauerhaften politischen Faktor in der öffentlichen Wahrnehmung
etablieren.
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Roboter |
Der Wolf im Schafspelz und das Prinzip
Verantwortung
Stefan Lorenz
Sorgner, ein bekannter deutscher posthumanistischer und
transhumanistischer Philosoph, äußerte sich in einem Zeit-Interview
(3): "Zunächst einmal ist die Verschmelzung von Mensch und
Technik eine Entwicklung, die bereits stattgefunden hat. Wir sind ja
schon Cyborgs, diejenigen etwa, die einen Herzschrittmacher tragen.
Mit dem technischen Fortschritt gehen enorm viele Facetten einher,
die unser Leben einfach lebenswerter machen und unsere Lebensspanne
unglaublich erweitert haben. Aus transhumanistischer Sicht lautet die
Überlegung also: Warum sollte diese Entwicklung aufhören?"
Mit dieser
unverfänglichen Argumentationskette beginnt fast jeder Transhumanist
seine Überzeugungsarbeit. Welcher vernünftige Mensch sollte etwas
gegen Herzschrittmacher oder Exoskelette haben, die
Querschnittsgelähmten neue Möglichkeiten der Mobilität eröffnen.
Was der Wolf im Schafspelz meistens
nicht beantwortet, ist die Frage, was am Ende dieser Entwicklung
steht und was vom Menschen bleibt.
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Die Verschmelzung |
Und die Entwicklung ist bereits
weitergegangen. Die Firma Alcor in
Scottsdale, Arizona (USA) offerierte bereits 2004 für 120.000 Dollar
die kryonische Aufbewahrung des ganzen Körpers. Wer an die
Rekonstruktion des Körpers mit künftiger Gentechnik oder an das
Mind uploading in künftige Supercomputer glaubt, kommt preiswerter
weg: Haltbarmachung des Gehirns bis zur Wiederbelebung kostet nur
50.000 Dollar.
Angesichts der
schnellen Fortschritte in der Biotechnologie wird es bald künstlich
erzeugte Ersatzorgane, spezielle Medikamente, Roboter und künstliche
Gliedmaßen geben, die das Leben erheblich verlängern werden.
Fortschritte, die sich nur die Vermögenden und Reichen dieser Erde
werden leisten können. Und damit stellt sich die Frage nach einer
Zukunft, in der zwischen den Gesellschaftsschichten eine biologische
Kluft aufbricht und in der sich die Superreichen zu einer völlig
neuen Spezies entwickeln können, die mindestens 20 Jahre länger
lebt und folglich auch länger aktiv ist.
Die Entwicklung von
Technik und Wissenschaft zeigt, dass das, was technisch machbar ist,
auch unaufhaltsam vorangetrieben wird. Aus technologischer Sicht
können wir die Grenzen des künftig Machbaren kaum setzen. Müssen
wir nicht aus moralischen Gründen Grenzen setzen?
Theologen
und Technikphilosophen setzen deshalb auch ihre fundamentale Kritik
transhumanistischer Positionen an deren ethischen Defiziten und
blinden Flecken in ihren Argumentationslinien an.
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Ein Androide entsteht |
In einem der bedeutendsten
philosophischen Werke des 20. Jahrhunderts Das Prinzip
Verantwortung-Versuch einer Ethik für die technologische
Zivilisation hat Hans Jonas (1903-1993) bereits 1979 eine Antwort auf die
spezifisch neuen ethischen Herausforderungen der technologischen
Zivilisation gegeben. Er sprach sich für eine Heuristik der Furcht
beim Betreten des Neulands Hochtechnologie aus. Für
die ethische Theorie war dieses Neuland damals noch ein
Niemandsland, das nach und nach theoretisch und philosophisch
erschlossen werden musste. Dieser kritische Prozess dauert bis heute
an.
Auch die Transhumanisten kennen die
Probleme, die mit den neuen ethischen Herausforderungen der
technologischen Zivilisation einhergehen und setzen sich mit ihnen
auseinander. Dennoch sehen sie im Fortschritt letztlich mehr Vor- als
Nachteile, weshalb sie davon ausgehen, dass sich diese bereits
fortgeschrittenen Entwicklungen durchsetzen werden. Ihrer Auffassung
nach müssten die Menschen vielmehr lernen, mit den damit verbundenen
Schwierigkeiten und Risiken umzugehen.
Das Argument der Selbstüberschätzung
lassen sie nicht gelten und Kritiker ihrer Positionen werden oftmals
unter den Generalverdacht der ewig Rückständigen gestellt.
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Prometheus noch gefesselt |
Zum Abschluss möchte ich deshalb Hans
Jonas zitieren: "Der endgültig entfesselte Prometheus, dem die
Wissenschaft nie bekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen
Antrieb gibt, ruft nach einer Ethik, die durch freiwillige Zügel
seine Macht davor zurückhält, dem Menschen zum Unheil zu werden
(4)."
In
30 Jahren vielleicht.
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Heuristik der Furcht |
Notes:
(1) Diesen Link habe ich nur eingefügt,
um auf das im Post genannte Foto von Ray Kurzweil zu verweisen. Die
website GarmaOnHealth von Joe Garma enthält ansonsten eine
sehr private Sicht und Interpretation auf die Wege zu einem vitalen
Leben.
Discover how to get stronger, look
better and live longer! wie es
von Joe Garma vertreten wird, entspricht nicht unbedingt der Meinung
des Autors.
Ein Interview mit Zoltan Istvan
veröffentlicht in WIRED :
Autor: Max Biederbeck, 07.11.2014.
Istvan ist ein prominenter Verteter des
Transhumanismus, Autor des kontrovers diskutierten
Sience-Fiction-Romans The Transhumanist Wager und
Spitzenkandidat seiner eigenen Partei, der Transhumanistischen Partei
der USA.
Das
online Magazin WIRED
stellt
regelmäßig die interessantesten Artikel des Internets aus
Technologie, Kultur, Wissenschaft, Business und Design zusammen.
Ein Gespräch mit dem Philosophen
Stefan Lorenz Sorgner, der auf die großen Vorzüge eines digital
getunten Körpers setzt.
Von Judith E. Innerhofer
Editiert am 13. Mai 2013, DIE ZEIT Nr.
20/2013
(4) Quelle: Das Prinzip
Verantwortung-Versuch einer Ethik für die technologische
Zivilisation, Suhrkamp
Taschenbuch 1085, S.7
Weiterführende Links:
Über Ray Kurzweil:
Die Ökonomie der Kurzweilschen
Unsterblichkeit erklärt sich gut durch einen Besuch beim Onlineshop
Ray and Terry’s
TELEPOLIS
| heise online:
Die Singularity University im
amerikanischen Silicon Valley soll sich nach den Vorstellungen seiner
Gründer mit dem künftigen Einsatz von Zukunftstechnologien
beschäftigen und die herkömmliche, akademische Ausbildung ergänzen.
Ein guter Überblick zu den Fragen:
Sind transhumanistische Zukunftsprognosen über die technologische
Entwicklung realistisch, und welche ethischen und anthropologischen
Konsequenzen ergeben sich daraus.
Stefan Lorenz Sorgner ist ein deutscher posthumanistischer und
transhumanistischer Philosoph, ein Nietzsche-Forscher, Musikphilosoph
und ein Experte im Bereich der Ethik der neuen Technologien. (Quelle:
Wikipedia )
Sie bezeichnen sich als die erste
Partei der säkularen und evolutionären Humanisten. Nach eigener
Aussage stellen sie den Menschen über Dogmen und Ideologien. Sie
setzen sich für die individuelle Freiheit, eine soziale Gesellschaft
und wissenschaftlichen Fortschritt ein.
Das Prinzip Verantwortung. Einen
guten Überblick über Thesen und Aufbau des Buches sowie
eine Kritik und Würdigung dieser philosophischen Ethik gibt der folgene
Eintrag bei Wikipedia.
Sämtliche Illustrationen: Fred Tille