Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Montag, 2. April 2018

Transit | Christian Petzolds neuester Film nach Motiven des gleichnamigen Romans von Anna-Seghers

ZeitBild | Nr. 2


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Meine neue Serie ZeitBilder und Texte zeigen Beispiele wie sich die Kunst diesen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen nähert.

Meinen Post könnt ihr in einer Kurz- und Langversion lesen.
Hier die Kurzfassung. Die ausführliche Fassung folgt unmittelbar auf diesen Post.

Mit Christian Petzolds neuestem Film bin ich der künstlerischen Bearbeitung von Anna-Seghers Roman Transit insgesamt zum dritten Mal begegnet.

Zum ersten Mal bei der Lektüre von Anna Seghers Roman. In ihrem Roman schildert Seghers das Schicksal von Flüchtlingen, die sich 1940/41 auf der Flucht vor den Nazis in Marseille gestrandet sind. Eine kurze Schilderung der Handlung findet ihr in meinem Post Transit und bei Wikipedia

Das zweite Mal im Deutschen Theater Berlin. Dort hatte am 27.September 2014 die Theaterfassung von Seghers Roman Transit Premiere. In der Inszenierung von Alexander Riemenschneider wird der Roman in dramaturgisch sinnvollen Auszügen textgetreu durch den Ich-Erzähler wiedergegeben.  
Und zum dritten Mal treffe ich das Thema im Wettbewerb der Berlinale 2018 mit Christian Petzolds Film Transit nach Motiven des gleichnamigen Romans von Anna-Seghers wieder. Im Gegensatz zum vorher genannten Theaterstück bedient sich Petzold eines Kunstgriffs und lässt den Film im heutigen Marseille spielen. Die Zeiten überschneiden sich.

Auf der offiziellen Website zum Film und auf YouTube könnt ihr euch einen kurzen Eindruck verschaffen.

YouTube Videos sind in meinem Blog nicht eingebunden. Stattdessen habe ich ein Vorschaubild eingefügt, hinter dem ein Link zum YouTube-Video liegt. Wenn ihr zur Aktivierung auf das Vorschaubild klickt, verlasst ihr meine Website und werdet zum Portal YouTube (www.youtube.com)weitergeleitet. Trotz dieser datenschutzfreundlichen Einbindung werden von YouTube Daten übermittelt. Eine eindeutige Beurteilung des genauen Umfangs der Datenverarbeitung durch Google lässt sich nicht vornehmen. Bitte beachtet dafür die Datenschutzerklärung von YouTube  bzw. Google. Mit dem Klick auf das Vorschaubild erklärt Ihr Euer Einverständnis zum Anzeigen externer Inhalte.





Hier das ZeitBild | Nr. 2


Transit #5
ZeitBild | Nr. 2 
Ich habe mich inspiriert durch den Roman und das Theaterstück dem Thema Transit in einer Bildserie mit den Mitteln der Malerei genähert. Hier seht ihr Transit #5.
Foto: Fred Tille


Langversion

Transit | Christian Petzolds neuester Film nach Motiven des gleichnamigen Romans von Anna-Seghers

ZeitBild | Nr. 2

Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Meine neue Serie ZeitBilder und Texte zeigen Beispiele wie sich die Kunst diesen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen nähert.

Mit Christian Petzolds neuestem Film bin ich der künstlerischen Bearbeitung von Anna-Seghers Roman Transit insgesamt zum dritten Mal begegnet.

Zum ersten Mal bei der Lektüre von Anna Seghers Roman. In ihrem Roman schildert Seghers das Schicksal von Flüchtlingen, die sich 1940/41 auf der Flucht vor den Nazis in Marseille darum bemühen, im Dickicht der Behörden und Vorschriften fristgemäß die Papiere für ihre Auswanderung nach Übersee zu bekommen. Eine kurze Schilderung der Handlung findet ihr in meinem Post Transit und bei Wikipedia.

Das zweite Mal im Deutschen Theater Berlin. Dort hatte am 27.September 2014 die Theaterfassung von Seghers Roman Transit Premiere. In der Inszenierung von Alexander Riemenschneider wird der Roman in dramaturgisch sinnvollen Auszügen textgetreu durch den Ich-Erzähler wiedergegeben. Der literarische Effekt der Unmittelbarkeit und Anteilnahme, den Anna Seghers erreichen wollte, indem sie das Wort einem Ich-Erzähler überlässt, kommt auch auf der Bühne voll zur Geltung. Unwillkürlich tauchen bei der Schilderung des menschenunwürdigen Transitzustands im Kopf des Zuschauers die aktuellen Bilder von Flüchtlingen auf, die in überfüllten Booten über das Mittelmeer nach Europa kommen wollen. Diese Aktualisierung findet allerdings nicht auf der Bühne statt. Nur im Programmheft vermittelt eine zitierte Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einen Gegenwartsbezug.


Und zum dritten Mal treffe ich das Thema im Wettbewerb der Berlinale 2018 mit Christian Petzolds Film Transit nach Motiven des gleichnamigen Romans von Anna-Seghers wieder.
Im Gegensatz zum vorher genannten Theaterstück bedient sich Petzold eines Kunstgriffs und lässt den Film im heutigen Marseille spielen. Die Zeiten überschneiden sich.
Mal lässt er die Gegenwart, mal die Vergangenheit in einer Szene aufscheinen. So besetzen deutsche Soldaten Frankreich, doch der Film spielt im heutigen Marseille. So sind in den schwer bewaffneten Soldaten, die durch das heutige Marseille stapfen, mal deutsche Besatzer, mal französische Spezialkräfte der Polizei zu erkennen. Die Protagonisten des Films bewegen sich, während sie Seghers' Dialoge sprechen durch ein sehr gegenwärtiges Marseille. Da spielt ein Junge, der Borussia-Dortmund-Fan ist, mit einer Getränkedose; im Hafen drehen sich Containerkräne; die Wände der Hausdurchgänge sind mit Graffitis besprüht.

Auf der offiziellen Website zum Film und auf YouTube könnt ihr euch einen kurzen Eindruck verschaffen.

YouTube Videos sind in meinem Blog nicht eingebunden. Stattdessen habe ich ein Vorschaubild eingefügt, hinter dem ein Link zum YouTube-Video liegt. Wenn ihr zur Aktivierung auf das Vorschaubild klickt, verlasst ihr meine Website und werdet zum Portal YouTube (www.youtube.com)weitergeleitet. Trotz dieser datenschutzfreundlichen Einbindung werden von YouTube Daten übermittelt. Eine eindeutige Beurteilung des genauen Umfangs der Datenverarbeitung durch Google lässt sich nicht vornehmen. Bitte beachtet dafür die Datenschutzerklärung von YouTube  bzw. Google. Mit dem Klick auf das Vorschaubild erklärt Ihr Euer Einverständnis zum Anzeigen externer Inhalte.




Hier das ZeitBild | Nr. 2

Transit #5
ZeitBild | Nr. 2 
Ich habe mich inspiriert durch den Roman und das Theaterstück dem Thema Transit in einer Bildserie mit den Mitteln der Malerei genähert. Hier seht ihr Transit #5.
Foto: Fred Tille





Sonntag, 11. Februar 2018

Parkplatz für einen Baum

ZeitBild | Nr. 1


In Berlin ist es wieder soweit. Vom 15. bis 25. Februar 2018 findet die 68. Berlinale statt.

In diesen Tagen dreht sich mitten in Berlin alles um Filme und Kino und damit um bewegte Bilder.

Die Auseinandersetzung mit der Vielstimmigkeit und Vielfalt der Gesellschaft gehört zum Selbstverständnis der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Hierzu schreibt der Festivalchef, Dieter Kosslick, in der Programmbroschüre:

Zehn Tage lang haben Sie die Möglichkeit zu entdecken, wie Filmemacher*innen die Welt mit ihren vielfältigen Gesellschaften, Lebensentwürfen und Erfahrungshorizonten heute sehen und was sie daraus machen. Das Kino kann die Welt manchmal erklären, zum Beispiel wenn es ihm gelingt, neue Perspektiven zu finden, unerwartete Sichtachsen in das verwirrende Dickicht der Gegenwart zu schlagen oder wenn es das Gleichgewicht in den Verhältnissen vorübergehend durcheinander bringt.“

Die visuelle Kommunikation nimmt im digitalen Zeitalter einen immer größeren Stellenwert ein.
Textbasierter Content wird oftmals nur über bildbasierten Content wahrgenommen. Deshalb starte ich anlässlich der 68. Berlinale meine neue Serie ZeitBilder als eine Form visueller Kommunikation. In lockerer Folge zeige ich Fotografien und gemalte Bilder, die die Entwicklung oder Aspekte unserer zukünftigen Lebenswelten zum Thema haben. Vielleicht gelingt es mir auch unerwartete Sichtachsen in das verwirrende Dickicht der Gegenwart zu schlagen.

Parkplatz für einen Baum
ZeitBild | Nr. 1 
In einer Tiefgarage in der Berliner City-West ganz in der Nähe des Kurfürstendamms ist dieser Parkplatz für einen Baum zu bestaunen.
Foto: Fred Tille




Donnerstag, 26. Oktober 2017

Herrliches Desaster | Jonas Burgert in Berlin

ZEITLAICH ist der Titel des wohl zur Zeit größten Bildes von Berlin, das Jonas Burgert gemalt hat. Malerei auf 22 Metern Länge und 6 Metern Breite. Damit hatte er den Coup des Gallery Weekends 2017 in Berlin gelandet.



Anlässlich der Vernissage in der Blain/Southern Gallery am 28. April 2017 und in der Vorberichterstattung der Presse fragten sich die Kunstinteressierten in erster Linie:
Wo hat er bloß angefangen und wie hat er dieses Riesenformat technisch bewältigt?
Hierauf gibt der Künstler die eigentlich nicht überraschende Antwort: 
"Ein Bild dieser Größe zu machen, war immer schon mein Traum."

Zur Veranschaulichung der technischen Umsetzung gibt es auf YouTube ein sehr gutes Video Time Lapse, das Burgert in seinem Studio während des Entstehungsprozesses von ZEITLAICH zeigt.

YouTube Videos sind in meinem Blog nicht eingebunden. Stattdessen habe ich ein Vorschaubild eingefügt, hinter dem ein Link zum YouTube-Video liegt. Wenn ihr zur Aktivierung auf das Vorschaubild klickt, verlasst ihr meine Website und werdet zum Portal YouTube (www.youtube.com)weitergeleitet. Trotz dieser datenschutzfreundlichen Einbindung werden von YouTube Daten übermittelt. Eine eindeutige Beurteilung des genauen Umfangs der Datenverarbeitung durch Google lässt sich nicht vornehmen. Bitte beachtet dafür die Datenschutzerklärung von YouTube  bzw. Google. Mit dem Klick auf das Vorschaubild erklärt Ihr Euer Einverständnis zum Anzeigen externer Inhalte.




Herrliches Desaster


Die viel wichtigere Frage, warum und mit welchem Inhalt Burgert so ein gewaltiges Bild machen wollte, trat leider zunächst total in den Hintergrund.
Zu seinen inhaltlichen Beweggründen erklärt der Künstler in einem Gespräch mit Craig Burnett, dem Director of Exhibitions von Blain/Southern: 

Wir wissen überhaupt nicht, wer wir sind. Damit schlagen wir uns ständig herum und erfinden tausend Religionen, die uns dann doch nicht weiterhelfen, an einem Ort führen wir Kriege, an einem anderen machen wir Liebe und wollen die Intensität des Gefühls erleben. Und dieses herrliche Desaster, das wir mit alldem erzeugen, ist etwas, das wir nicht einfach ignorieren können. Von daher habe ich diese Idee einer Zuspitzung von überbordendem, wunderbarem Blödsinn. (1)

Ausstellungsblick auf ZEITLAICH | Linker und mittlerer Bereich 

Ausstellungsblick auf ZEITLAICH | Rechte Seite
 


Menschenlandschaften in albtraumhafter Kulisse


Damit hat Burgert das zentrale Thema seiner Kunst beschrieben. In seiner Welt des herrlichen Desasters bewegen sich Figuren auf verschiedenen Ebenen. Sie gruppieren sich zu Menschenlandschaften in albtraumhafter Kulisse. 

Dabei arbeitet der Künstler mit schrillen Farben, die jedoch in der Tonalität sehr präzise aufeinander abgestimmt sind und die dem Betrachter entgegenspringen. Diese Form der Farbgebung ist mir sehr sympathisch, denn ich bevorzuge in meinen Bildern auch eine lebhafte Farbgebung. Sie haucht Burgerts Bildern Expressivität und Leben ein. Kurzum, in Burgerts großformatigen Bildern herrscht das Chaos. 

Seine Bildideen holt sich Burgert wie sehr viele Künstlerkollegen aus einem privaten Riesenarchiv an Fotos aus Zeitschriften und Zeitungen, in denen vor allem Menschen in verschiedenen Lebenssituationen dargestellt werden. Der Künstler sucht sich Anregungen aus dem herrlichen Desaster unserer realen Welt. Dabei geht es ihm aber nicht um naturalistische Darstellung, sondern um den Ausdruck und den psychischen Charakter der Figuren.

Der Künstler arbeitet mit schrillen Farben, die jedoch in der Tonalität sehr präzise aufeinander abgestimmt sind und die dem Betrachter entgegenspringen. 

ZEITLAICH und Der Triumph des Todes: Parallelen bei Burgert und Brueghel d.Ä. 


Aus dem bereits erwähnten Gespräch mit Craig Burnett möchte ich noch zwei interessante Gesichtspunkte hervorheben.

Dabei komme ich zunächst wieder auf das Format zurück. Burnett erwähnt das Gemälde Der Triumph des Todes von Brueghel d.Ä. In diesem Bild bringt er hunderte von Skeletten in dem vergleichsweise winzigen Format von 117 × 162 cm unter. 

Welch ein Gegensatz zu Burgert. Darauf kommt es mir aber nicht an. Jeder Künstler malt eben in dem Format, was ihm liegt und er für angemessen hält. Vielmehr geht es mir um den Inhalt von Brueghels Gemälde.

Der Triumph des Todes | Pieter Bruegel der Ältere, um 1562  | Öl auf Holz  | 117 × 162 cm | Museo del Prado, Madrid | Quelle: Wikipedia |  Gemeinfrei

Der Triumph des Todes ist ein Thema der europäischen Kulturgeschichte seit dem Mittelalter, vor allem in der Bildenden Kunst. Unter dem Eindruck der Pest, die ganze Städte Europas entvölkerte und die die Menschen in apokalyptische Angst versetzte, bearbeiteten viele Künstler dieses Thema. 

Auch Brueghel nahm den damaligen Zustand der Welt als Quelle für sein berühmtes Bild, das in drastischer Form zeigt, wie der Tod über Irdisches siegt. Er griff die Hilflosigkeit und Verzweiflung der Menschen auf und malte einen Totentanz, der sich zu einem grausamen Geschehen von Vernichtung, menschlicher Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit verdichtete. 

Zwar nicht wie bei Burgert mehr ironisch gebrochen als herrliches Desaster, aber in gewisser Weise auch als  ZEITLAICH des 16. Jahrhunderts.

ZEITLAICH und Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir? von Gauguin 


Der zweite Hinweis von Burnett bezieht sich auf Parallelen zu Gauguins berühmtem Großgemälde Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir?
Auch Burgert stellt in seinem Werk die Frage „Wir wissen überhaupt nicht, wer wir sind.“

Burgert bejaht diese Parallele zu Gauguins friesartiger Komposition. Nach eigener Aussage liebt Burgert Gauguins Erfindungsreichtum in Formen und Farben und dessen Blick aufs Ganze.

Ich glaube, ich bin ein sehr abstrakter Maler. Ich denke vielleicht 70 Prozent der Zeit über die Komposition nach, und wie ich einen Ausgleich zwischen kalten und warmen Farben schaffen kann. Und von daher liebe ich Gauguin.“ (2)

Paul Gauguin | Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir? |1897
 oil on canvas |139.1 × 374.6 cm  | Museum of Fine Arts, Boston | Quelle: [Public domain], via Wikimedia Commons | United States public domain tag | Gemeinfrei
   


ZEITLAICH und die Beobachter


Gegenüber von dem Riesengemälde hat Burgert eine Reihe von Portraits gehängt. Ganzfiguren fast in Lebensgröße gemalt. Sie blicken nicht nur den Betrachter direkt, sondern auch das Geschehen auf ZEITLAICH gegenüber an. Sie sind die Beobachter.

Ganzfiguren fast in Lebensgröße gemalt

Riesengemälde mit  Reihe von Portraits gegenüber. Die Beobachter


Elf weitere Arbeiten im 2. Stock der Galerie


Im 2. Stock der Galerie werden elf weitere Arbeiten gezeigt. Hierzu empfehle ich die Blicke in die Ausstellung auf der Website von Blain/Southern


Von ZEITLAICH bis Raube | Rätselhafte Titel


Nicht nur ZEITLAICH ist ein eigenwilliger und etwas rätselhafter Titel. Die Laichzeit ist die Zeit der Eiablage bei Fischen und Amphibien. Oder der Song Laichzeit zum Thema Inzest der umstrittenen Musikgruppe Rammstein, die häufig sehr kontroverse, tabuisierte und schambesetzte Themen in ihrer Musik verarbeitet. 

Ob der Künstler diese Bedeutungsvarianten bei seiner Titelgebung im Sinn hatte, bleibt offen und damit der Phantasie des Betrachters überlassen. Ich sehe in ZEITLAICH die Darstellung eines desaströsen Weltenwandels, den ich allerdings nicht mit dem Attribut herrlich verbinden kann. Oder man nimmt den Titel einfach als vorgegebenes Kunstwort hin, ohne sich weiter darüber einen Kopf zu machen.

Auch die anderen Titel von Burgerts Bildern wie z.B. Mutsud, Nachtag, Blattschatt, Zweifang, ein Mut, die in der aktuellen Ausstellung gezeigt werden, lassen beim Betrachter interessante Interpretationsmöglichkeiten zu.

Deshalb ganz im Sinne von ZEITLAICH zum Abschluss ein Witz von Burgert, den er in einem Interview der Berliner Morgenpost (3) erzählt hat.

"Die Erde und ein anderer Planet treffen sich, fragt der Planet 'Und wie geht's so?' Die Erde antwortet: 'Nicht so gut, ich hab homo sapiens.' Darauf der andere Planet: 'Das geht vorbei'."

Jonas Burgert

Burgert, Jonas (*1969) lebt und arbeitet in Berlin.

Jonas Burgert studierte bis 1996 an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin und absolvierte dort anschließend seinen Meisterschüler unter Professor Dieter Hacker.

Seit 1998 sind seine Arbeiten international in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt worden.

Eingang zur Galerie Blain Southern


Blain|Southern
JONAS  BURGERT |ZEITLAICH 
29. April-29. Juli 2017
Berlin

Galerie Blain|Southern
Potsdamer Straße 77–87
10785 Berlin
+49 (0)30 6449 31510
berlin@blainsouthern.com

Quellen:
(1) und (2) Öffentlich in der Galerie ausliegendes Begleitmaterial zur Ausstellung. Jonas Burgert im Gespräch mit Craig Burnett, Blain|Southern
(3) Berliner Morgenpost, Eva Lindner 20.04.2012 
Sämtliche Fotos: Fred Tille mit Ausnahme der Foto-Einzelnachweise.
Obwohl meine Fotos nur allgemeine Ausstellungsansichten und keine expliziten, detaillierte Werkfotos zeigen, bitte ich die Urheberrechte des Künstlers, Jonas Burgert an seinen Werken zu beachten.

Courtesy of Galerie Blain|Southern


Dienstag, 25. Juli 2017

MENSCH, WAS NUN ? Review | Teil 2

Die Ausstellung stellt fundamentale Fragen nach den Möglichkeiten des in die Krise geratenden Individuums.
Die Ursachen können vielfältig sein: Kriege, Armut, Katastrophen, Krankheit, irrationale Ängste, ungezügelte Ideen und schiere Lust auf das Neue, am Untergang, Suche nach Showeffekten, nach dem nächsten Kick?
Was nun, Mensch? Mit welchen Mitteln setzt sich der Mensch heute, morgen und übermorgen mit seiner Umwelt auseinander? 
Wie geht der Mensch mit Problemen der Gegenwart und der Zukunft um, welches sind die für ihn und seine Perspektiven zentralen Fragestellungen? Hat er Antworten?
Die Künstler fragen aber auch ganz philosophisch: Was ist der Mensch, welches Menschenbild wollen wir leben? Welche Psychologie hat die Ratlosigkeit?

Eine Ausstellung mit 10 Künstlern vom  11.09.2016 bis 09.10.2016 in der Schinkelkirche von Petzow/Werder.  

AUSSTELLENDE KÜNSTLER
DEJO Denzer 
Ellen Ernst 
Ekhard Gaede 
Olaf Kaminski 
Krystyna Kauffmann 
Helga Lehner 
Dietmar Steinkamp 
Fred Tille 
Gabriele Tille-Tagge 
Thomas Wiersberg


Helga Lehner
In Würzburg geboren, lebt seit 1976 in Berlin. Seit 1979 Beschäftigung mit Fotografie, von 1979 bis 1986 Teilnahme an der von dem Fotografen Michael Schmidt gegründeten „Werkstatt für Fotografie“.  

Braunkohletagebau in der Niederlausitz/ Welzow-Süd

Braunkohletagebau in der Niederlausitz/ Welzow-Süd

Braunkohletagebau in der Niederlausitz/ Welzow-Süd
Wie lange werden wir noch graben. 20 Jahre oder 40 Jahre? Bis alle Kohle in der Lausitz aus der Erde gebaggert ist? Wie lange werden wir es noch ertragen – das Graben in der Erde nach verkohltem Holz – Schicht um Schicht abgetragen und umgepflügt. Meeressand und versunkene Wälder. Die schwarzglänzende Kohle wird in der schwarzen Pumpe zu Strom verbrannt. Der Mensch verbraucht die Energie, die aus der Kohle gewonnen wird und nach überschaubarer Zeit versiegen wird. Die Ressourcen von Welzow-Süd I reichen noch 20 Jahre. Für weitere 20 Jahre müsste ein weiteres Dorf abgebaggert werden. Die klimatische Belastung mit CO² ist hoch. Noch sind die Alternativen von Wind und Sonne nicht stabil nutzbar. Der schwedische Staat verlässt die Lausitz. Die Schweden möchten sich nicht mehr an der zerstörerischen Energiegewinnung – mit der hohen Klima-Belastung - beteiligen. Die Verantwortung für die Region und ihre Menschen löst sich in den Verlusten aus dem Strompreis auf. Verkauft an den tschechischen Energiekonzern EPH und die Investfirma PPF – den Preis zahlt die Bevölkerung mit Zukunftsängsten, Umweltveränderungen und auch mit Verlust von Heimat. Die Stromerzeugung mit der Kohle ist nicht mehr profitabel. Trotzdem weitergraben? Noch weitere 40 Jahre??? Nur unter großen Anstrengungen sind gesundes Wasser – die Grundlage für Menschen und Tiere – zu erhalten! Die Veränderung der Landschaft über Jahrzehnte bedeutet nicht, dass dieses Land in absehbarer Zeit wieder gesundet. Die Schäden der Zerstörung reichen weit in die Zukunft – auch der nächsten Generationen. Mensch was nun??

Dietmar Steinkamp 
1961 in Osnabrück geboren.
Lebt und arbeitet in Schönwalde-Glien. Absolvent der HdK Berlin.
Ölmalerei, Grafik, Electronic & Fractal Arts. Seit 1980 Ausstellungen.

verloren

unbekannt

Jupiter

Psychologie der Ratlosigkeit
Was macht uns ratlos? Welche Lebensumstände führen zur Frage: Wie soll es weitergehen?
Drei astrologische Wirkprinzipien führen im disharmonischen Transit in die Krise. Drei Gestirne, drei symbolhafte Bilder.
Jupiter: Wachstum Wenn alles über den Kopf wächst, zuviel ist, unkontrollierbar wird. Wenn Sorgen wie Unkraut wuchern, Kapital akkumuliert, Pegel ansteigen, unbremsbar, der böse Tumor.
Saturn: Erstarrung Erstarrung ist Konservierung und Erosion, immer auch Verlust, Unwiederbringlichkeit, Leblosigkeit und Zerfall, die Demenz.
Uranus: Bruch Der plötzliche Schicksalsschlag, von Unfall, Anschlag, Anfall bis zum Herzinfarkt oder Schlaganfall. Danach hat sich alles in seiner Bedeutung geändert. Und ein Unglück kommt selten allein.

Fred Tille
In Berlin-Charlottenburg geboren. Abgeschlossenes Studium der Erziehungswissenschaften an der FU Berlin. Lebt und arbeitet in Berlin, Schönwalde-Glien und Angermünde. Sujetgestützte freie Malerei mit dem zentralen Thema Zukunftsphilosophie und Techniksoziologie. Seit 1994 Ausstellungen in Berlin und Brandenburg. 

Portraits eines Androiden, eines Cyborgs und eines Menschen  

Beinahe menschlich
Portraits eines Androiden, eines Cyborgs und eines Menschen vor dem Hintergrund einer vernetzten, unübersichtlichen Welt. Alle drei Portraits sehen gleich aus. Wer ist Mensch, wer MaschinenMensch und wer ist bereits Maschine?

„Computer werden Menschen innerhalb der nächsten hundert Jahre mit künstlicher Intelligenz überholen. Wenn es soweit ist, müssen wir sichergehen, dass ihre Ziele mit unseren übereinstimmen.“ (Stephen Hawking)

„Es gibt eine Menge Dinge, die wir gern machen würden, aber nicht tun können, weil sie illegal sind. (…) Wir sollten einfach ein paar Orte haben, wo wir sicher sind. Wo wir neue Dinge ausprobieren und herausfinden können, welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben.“ (Larry Page)

„Der endgültig entfesselte Prometheus, dem die Wissenschaft nie bekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb gibt, ruft nach einer Ethik, die durch freiwillige Zügel seine Macht davor zurückhält, dem Menschen zum Unheil zu werden.“ (Hans Jonas)
http://malereifredtille.blogspot.de/

Gabriele Tille-Tagge
Geboren in Berlin-Wedding. Abgeschlossenes Studium der Geschichte an der FU Berlin. Lebt und arbeitet in Berlin und Angermünde. Beschäftigt sich v.a. mit street photographics und sozialkritischer Fotografie. Hat als ihr Hauptthema den benachteiligten Menschen in einer Zeit der postmodernen Unverbindlichkeiten und Beliebigkeiten. Ausstellungen in Berlin und Brandenburg.  









Der gebrochene Mensch in einer zerbrechenden Welt
Die Welt gerät aus den Fugen. Kriege, Terror, Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, Altersarmut, Obdachlosigkeit. Immer mehr Menschen geraten in den Sog von Lebensbedingungen, die sie nicht mehr kontrollieren können und für die sie selbst nicht unmittelbar verantwortlich sind.

Viele von ihnen zerbrechen daran. Sie sind gezeichnet von Hoffnungslosigkeit und Selbstzweifel.
Wie kann ein Mensch damit umgehen? Kann er wieder aufstehen? Einige schaffen das.

Die Fotos wollen nicht die Ursachen für die Missstände in unserer heutigen Welt erklären, nicht den eigentlich Schuldigen ihre Schuld zuweisen, sondern einfach nur aufzeigen und anklagen. 
www.gabrieletilletagge.blogspot.de

Thomas Wiersberg
Geboren 1967 in Bad Honnef, lebt seit 2012 in Potsdam.
Landschafts-, Natur-, Industriearchitektur- und Stadtfotografie, konzeptionelle Fotografie
1997-2012 Mitglied und mehrere Jahre Vorsitzender von Fotografie Berlin e.V., Organisation und Teilnahme an diversen Fotoausstellungen u.a. im Tacheles, Fotogalerie am Helsingforser Platz, Rathaus Köpenick, 48 Stunden Neukölln. 


Beichuan


Beichuan
Erdbeben und anderer Naturkatastrophen erinneren uns daran, dass der Mensch als Teil der Natur deren Gesetze nicht ignorieren darf. Ein trauriges Beispiel menschlicher Hybris liefert die 2008 durch ein Erdbeben völlig zerstörte Stadt Beichuan in der chinesischen Provinz Sichuan. 

Die Gegend wurde schon früher von schweren Erdbeben heimgesucht, dennoch spielte erdbebensicheres Bauen bei der Planung und Erbauung der Stadt keine Rolle. Die Fotografien der Ruinen Beichuans klagen vom Leid der Opfer, lassen uns aber auch die menschliche Hybris erkennen, sich über die Gesetze der Natur zu stellen. 

Beichuan war eine ungefähr 143 km nördlich von Chengdu, der Provinzhauptstadt, gelegene Kreisstadt. Das Erdbeben zerstörte hier 80% der Gebäude völlig und forderte 8.600 Menschenleben, ungefähr die Hälfte der Bevölkerung von Beichuan. Allein 1.300 Schulkinder starben beim Einsturz eines Schulgebäudes. 

Auf das Erdbeben folgten Hangrutschungen, welche weitere Opfer forderten. Die überlebende Bevölkerung wurde in 12 km Entfernung in der neuen Stadt Yongchang angesiedelt. 

Die noch stehenden Gebäude Beichuans wurden als Erinnerungsstätte in dem Zustand direkt nach dem Erdbeben hinterlassen.

KULTURPUNKT STILUS
Der Kulturpunkt Stilus e.V. ist eine Gruppe von Künstlern, die in den verschiedensten Kunststilen und Ausdrucksformen arbeiten. Dabei ist der gesellschaftskritische Bezug bei vielen der Künstler essentiell. Allen gemeinsam ist es, Vielfalt und Toleranz als Stärke zu verstehen und so neue Sichtweisen zu entwickeln. Die Darstellung von Disharmonien und Konflikten bildet ein weiteres zentrales Moment der Arbeiten der Stiluskünstler, die sich in diesem Jahr das Thema „Mensch, was nun?“ gestellt haben.


Copyright für Texte, Werkabbildungen, Fotos bei den Künstlern.