Fritz
Langs Film Metropolis ist der ultimative Großstadtfilm und
ein Meilenstein der Filmgeschichte.
Im
Mittelpunkt steht eine utopische Stadt – Metropolis –, in
der Kapitalisten und Proletarier scharf voneinander getrennte Klassen
bilden. Während die Privilegierten sich die Zeit in Gärten und
Amüsiervierteln vertreiben, schuften die Arbeiter unter der
Erdoberfläche bis zur Erschöpfung an Maschinen, die für das
Funktionieren der Versorgungssysteme der gigantischen Stadt
Metropolis notwendig sind. Düstere Katakomben und ewige
Gärten.
Fritz
Lang hat ein
Werk mit Wiedererkennungswert geschaffen, das verschiedene Seiten des
kulturellen Gedächtnisses der Menschheit berührte. Seine
Visualisierungen der "Stadt der Zukunft" sind in der Welt
des Kinos stilbildend geworden.
Der
visionäre Film stellt Fragen zu den Grundlagen des menschlichen
Zusammenlebens, zu Segen und Fluch technologischer Entwicklungen.
Es ist aber auch der Film, der mehr als jeder andere von den Erfahrungen der noch jungen Großstadt Berlin in den zwanziger Jahren lebt. Die Entstehungsgeschichte und Rezeption des Films ist aufs Engste mit Berlin verbunden, und Metropolis wirkt bis heute in die Filmstadt Berlin hinein. In der neuen Serie Berlin-Metropolis werde ich dieses besondere Verhältnis aufgreifen und Spuren von Metropolis im heutigen Berlin versuchen aufzufinden. Darüberhinaus möchte ich die künstlerischen Spiegelbilder der Metropole Berlin von den damaligen nicht nur goldenen 20er Jahren bis zur Gegenwart reflektieren. Nicht zuletzt haben mich u.a. die technologiekritischen und zukunftsphilosophischen Implikationen von Metropolis zu dem Titel meines KunstBlogs MetropolisBlues inspiriert.
Die Vision von Metropolis und das Berliner Hochhausfieber
Der Film besticht unter anderem durch
seine grandiose Architektur. So ragen in der futuristischen Stadt
Metropolis gewaltige Glastürme kühn in den Himmel,
Luftschiffe durchfliegen die Schluchten der Stadt, endlose Schlangen
von Autos ziehen über schwebende Brückenbauten dahin. Metropolis
ist eine aus ineinander verschachtelten Hochhäusern bestehende
Stadt, deren Architektur an damals in New York existierende
Wolkenkratzer erinnert.
„Denn die Leidenschaft, mit der sich
Fritz Lang und seine Filmarchitekten an die Konstruktion einer
modernen Hochhausstadt machten, kam nicht von ungefähr. 1921 hatte
in Berlin ein Wettbewerb für die Bebauung des Geländes nördlich
des Bahnhofs Friedrichstraße stattgefunden. Alles, was in der
zeitgenössischen Architekturszene Rang und Namen besaß, von Hans
Poelzig über Hans Scharoun bis Mies van der Rohe, hatte sich
beteiligt: Über 140 Einsendungen verzeichnet die „Turmhaus
Aktiengesellschaft“, die den Wettbewerb ausgelobt hatte. Ganz
Berlin diskutierte über die Entwürfe, Zeitgenossen sprachen 1921
von einem regelrechten <Hochhausfieber>.“ (Quelle: Der
Tagesspiegel, 31.03.2004).
Auch der architekturbegeisterte Fritz
Lang wird sicherlich diese Diskussionen verfolgt haben, denn viele
Details in den Metropolis-Vorzeichnungen zum Film erinnern an
die Entwürfe des damaligen Architekturwettbewerbs vor allem auch an
das Hochhaus von Mies van der Rohe. Den eigentlichen Anstoß für die
Stadtvision Metropolis jedoch gab ein Besuch des Regisseurs in
New York.
Zu den Inspirationsquellen seines
Filmprojekts befragt, erinnerte sich Lang: „Ich sah eine Straße,
durch Neonlampen taghell beleuchtet, und, alles überragend, ständig
wechselnde, an- und ausgehende, spiralförmige, riesige
Leuchtreklamen. Für einen Europäer war das damals völlig neu und
märchenhaft. Dieser Eindruck gab mir die erste Ahnung von einer
Stadt der Zukunft.“ Die Vision von Metropolis war geboren.
Sie ist bis heute gültig, in fast jedem Science-Fiction-Film:
überall erkennt man die Hochhausstadt Metropolis wieder. Das
kommt daher, weil bei Lang Bauten und Maschinen mehr als nur Kulisse
sind, sie sind mit charakterähnlichen Eigenschaften versehene
Bedeutungsträger.
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Metropolis war nicht nur ein
Meilenstein der Filmgeschichte, sondern auch ein Meilenstein der
Special-Effects-Geschichte . In Zeiten digitaler Tricks kommt das
Handwerk des Modellbaus in der heutigen Zeit immer seltener bei der
Filmproduktion zur Anwendung. Die Hochhausbauten von Gotham City
einer aktuellen amerikanischen TV-Serie, in der der Zuschauer in eine
faszinierend düstere Welt eintaucht, gibt es jedoch noch die selten
angewendete , quasi analoge Modellbautechnik. Die legendäre Vision
von Metropolis ist bis heute in fast jedem
Science-Fiction-Film gültig. Seien es die fliegenden Taxis, die Luc
Besson in „The Fifth Element“ oder die finstere Stadtvision von
„Blade Runner.“ Als filmisches Zitat erkennt man überall die
Hochhausstadt Metropolis wieder.
Quelle: Wikipedia/Foto:vagueonthehow - CC BY 2.0
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Zwei Stadtvisionen im Modell
„Also sprach Lang:´Lasset uns einen
Turm der Technik bauen, dessen Spitze bis an die Sterne reiche, an
die Spitze aber wollen wir setzen: Groß ist der Film (...) und groß
sind die Menschen, die ihn gebaut und gedreht haben!“ (Quelle:
„Licht-Bild-Bühne“ anläßlich der Filmpremiere 1927).
Bevor der erste Filmmeter belichtet
war, ließ Fritz Lang Metropolis als tischhohe Miniaturstadt
bauen. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich die Aufnahmen, die
das Miniaturmodell der Stadt mit dem Turm von Babel zeigt,
leider nur über einen Link darstellen. Die Originalzeichnungen
können im Filmmuseum Berlin, Deutsche Kinemathek, betrachtet werden.
An der Aufnahme ist sehr gut zu sehen, wie erfolgreich und
detailgetreu die Entwürfe umgesetzt worden sind. Einer der
Filmarchitekten, Erich Kettelhut, beschrieb diese filmvorbereitenden
Arbeiten folgendermaßen:
„Im kleinen Glashaus wuchs indessen
das Modell der Hauptstraße von Metropolis seiner Vollendung
entgegen. Die Modellbauer bastelten an den Drahtseilen, die außerhalb
des Bildes in der gleichen fallenden Schräge gespannt werden mußten,
wie sie kleine Modellflugzeuge für ihre perspektivischen Flugrouten
brauchten.“ Und der Chefarchitekt Otto Hunte führt weiter aus:
„Die meiste Zeit und Mühe hat die Anlage der Hauptverkehrsstrasse
von ´Metropolis` gekostet, an deren Ende sich der neue Turm zu Babel
erhebt, der 500 Meter hoch gedacht war. Ich mußte ein Miniaturmodell
verwenden und den Riesenverkehr, der sich auf dieser Straße
abspielt, tricktechnisch darstellen(...) Sechs Wochen fast hat diese
Arbeit gedauert, und ihr Resultat flitzt in zweimal sechs Sekunden vor den Augen des Zuschauers vorbei.“
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Metropolis war deutscher
Filmtrick auf dem Höhepunkt. Entwurf und Gestaltung der Bauten für
die utopische Filmstadt erfolgte durch die Filmarchitekten Otto
Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht und Walter
Schultze-Mittendorf.
Metropolis ist aber auch der Film, der nicht nur durch grandiose Modell- und Tricktechnik glänzt, sondern der mehr als jeder andere von den Erfahrungen der noch jungen Großstadt Berlin in den zwanziger Jahren lebt. Und weil Miniaturmodelle aber nicht nur im Film, sondern auch in der Architektur zum Einsatz kommen, möchte ich an dieser Stelle dem Film ein zweites Miniaturmodell mit einer echten Hochhauskulisse von ähnlich prägender Bedeutung gegenüberstellen; die Modellansicht vom Potsdamer Platz in Berlin. Der italienische Architekt Renzo Piano, der durch Gebäude wie das Centre Pompidou in Paris oder das New York Times Building Architekturgeschichte schrieb, entwickelte den Masterplan für das gesamte Quartier Potsdamer Platz. Hierbei ergeben sich beim Filmemacher und beim Architekten erstaunliche Parallelen in der Herangehensweise und den Inspirationswegen. Ähnlich wie Lang vor Beginn der eigentlichen Dreharbeiten durch den emotionalen Eindruck von der New Yorker Skyline beeinflusst wurde, formulierte der Stararchitekt Renzo Piano seine Planungsvision so: „Bevor ein Architekt den Zeichenstift in die Hand nimmt, muss er den Ort besichtigen, nachdenken und zuhören. Alle Orte sprechen in gewisser Weise, und man muss so lange warten, bis man auch die leisesten Stimmen verstanden hat.“ Auf der Grundlage seiner Ideen haben internationale Stararchitekten wie Hans Kollhoff und Richard Rogers eindrucksvolle Gebäude entwickelt, die zu Meilensteinen der deutschen Hauptstadt auf dem Weg ins 21. Jahrhundert wurden. Der Architekt Hans Kollhoff hat mit seinem markanten Gebäude mit seiner prägnanten roten Torfbrandklinker-Fassade seine Vision eines transatlantischen Brückenschlags verwirklicht, die sich in ihrer Formensprache deutlich an amerikanischen Skyscrapern des Art déco orientiert. In der Haupthalle der Potsdamer Platz Arkaden steht eine vom Publikum gut besuchte Glasvitrine, die ein Architekturmodell dieses neuen Potsdamer Platzes enthält.
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v.l.n.r. Haupthalle der Potsdamer Platz
Arkaden, Glasvitrine mit interessierten Besuchern, Vitrine mit
Architekturmodell
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Spuren von Metropolis im heutigen Berlin
In den zwanziger Jahren war der
Potsdamer Platz Drehscheibe für Verkehr, Großstadtleben, Vergnügen.
Hier kreuzten sich fünf der belebtesten Straßen Berlins. 1925
überquerten stündlich 600 Straßenbahnen den Platz. Sein
Wahrzeichen war der in der Platzmitte stehende Verkehrsturm
mit
Normalzeituhr, von dessen Höhe ein Polizist den Verkehr regelte. 1924 wurde hier auch die erste Ampelanlage in Deutschland errichtet. Europas größtes Restaurant und Varieté, das ‚Haus Vaterland’ sowie das renommierte Hotel Esplanade waren internationale Treffpunkte.
Normalzeituhr, von dessen Höhe ein Polizist den Verkehr regelte. 1924 wurde hier auch die erste Ampelanlage in Deutschland errichtet. Europas größtes Restaurant und Varieté, das ‚Haus Vaterland’ sowie das renommierte Hotel Esplanade waren internationale Treffpunkte.
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Historische Ansicht / Potsdamer Platz,
1914: Links das Grand-Hotel Bellevue, rechts das Palast Hotel |
Quelle: Wikipedia/Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R52689 / CC BY-SA 3.0 de /Es wurden keine Änderungen vorgenommen (Originalbild).
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An diesen speziellen historischen Charakter wollten die Planer des heutigen Potsdamer Platzes bewusst anknüpfen. Es ist ihnen gelungen, den alten Mythos des Standortes, der bereits vor dem 2. Weltkrieg einer der belebtesten Plätze Europas war, wiederauferstehen zu lassen. Durch seinen einzigartigen Mix aus Entertainment, Kunst, Shopping, Restaurants und Geschichte bietet das Quartier Potsdamer Platz ein besonderes Flair. Der historische Straßenverlauf ist bis heute erhalten geblieben und wurde mit seinere teilweise sehr engen Straßenführung zum Markenzeichen des neuen Stadtzentrums.
Als man begann, den Potsdamer Platz in
seiner jetzigen Form unter Beteiligung namhafter international
renommierter Architekten zu entwickeln, war das Gelände eine von der
Berliner Mauer geteilte Brachfläche. Heute ist ein neues
Zentrum mit zahlreichen Bürotürmen, Wohnungen, Kulturinstituten,
Hotels und Geschäften entstanden. Das Herzstück bildet ein Ensemble
aus sieben Gebäuden, die zusammen ein spitzes Dreieck als
Eingangstor zum Platz bilden. Es gibt mehrere Luxushotels, ein
Musical-Theater, eine Spielbank und ein Varieté.
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Das spitze Dreieck als Eingangstor zum
Platz
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Sehr beliebt ist auch die Piazza im benachbarten Sony Center, das im engeren Sinne nicht zu dem hier beschriebenen Quartier gehört. Das zentrale Forum ist durch ein zeltartiges, ovales Dach wettergeschützt. Die Stahlkonstruktion, eine Meisterleistung des Architekten Helmut Jahn, schwebt wie ein riesiger Regenschirm über den Köpfen der Besucher. Nachts erstrahlt das Gebilde in bunten Bonbonfarben. Damit ist es zu einem weiteren Wahrzeichen des Potsdamer Platzes geworden. Heute ist der neue Potsdamer Platz eine echte innerstädtische Mitte, die von den Berlinern und den Besuchern der Stadt angenommen wurde. Über 100.000 Menschen besuchen täglich den Potsdamer Platz.
Am Potsdamer Platz hat auch die
Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen ihren
Standort. Im Mittelpunkt der Ständigen Ausstellung stehen die beiden
Leitmedien Film und Fernsehen, von ihren Anfängen bis in die
Gegenwart. Selbstverständlich gibt es dort auch einen
Ausstellungsbereich zum Film METROPOLIS. Hier schließt sich
wieder der Kreis zwischen METROPOLIS und BERLIN.
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v.l.n.r. Renzo Piano Tower im
Vordergrund, Blick auf beide Türme, Kollhoff-Tower-Seitenansicht
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v.l.n.r. Gesamtansicht des Quartiers,
Blick vom Landwehrkanal-im Vordergrund das ehemalige Debis Haus,
Seitenblick auf die Potsdamer Platz Arkaden
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Fotos/Illustrationen, wenn nicht besonders gekennzeichnet: Fred Tille
Weiterführende Links: