Der glückliche Drache und Castle Bravo
«Daigo Fukuryu-Maru», übersetzt „Der glückliche Drache“ heißt das japanische Fischerboot, das am 1. März 1954 dem radioaktiven Niederschlag der Castle-Bravo-Wasserstoffbombe ausgesetzt war. Durch die unerwartete Stärke der Bombe und die ungünstigen Witterungsbedingungen wurden Boot und Mannschaft schwer verstrahlt. Der Funker Aikichi Kuboyama verstarb am 23. September 1954 daran. Die anderen Besatzungsmitglieder überlebten zunächst. Sechs von ihnen erkrankten später an Leberkrebs. Die von den Technikern und Ingenieuren falsch berechnete Sprengkraft der Castle-Bravo-Wasserstoffbombe zeigte erstmals, dass Atombomben auch über grosse Entfernungen hinweg todbringend sein können. Als die Bombe gezündet wurde, befand sich die «Daigo Fukuryu-Maru» außerhalb des Sperrgebiets 130 Kilometer östlich der Bikini-Inseln, aber das war nicht weit genug weg. Später fiel ein Ascheregen auf das Boot, der drei Stunden lang anhielt. Der Vorfall sorgte für enorme Empörung in der japanischen Bevölkerung.
Aikichi
Kuboyama stammte aus der japanischen Stadt Yaizu. Alljährlich versammeln sich
Menschen in Yaizu am Grab von Aikichi Kuboyama, um die Erinnerung an den
tragischen Vorfall wachzuhalten. In diesem Jahr beging Yaizu jedoch einen besonderen
Gedenktag. Am 1. März jährt sich zum sechzigsten Mal der Tag, an dem die «Daigo
Fukuryu-Maru» dem radioaktiven Fallout mit tödlichen Folgen ausgesetzt war.
Sechzig wird in diesem Jahr auch «Godzilla».
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Godzilla erwacht |
Sechzig Jahre Godzilla | 1954 und 2014
Acht Monate nach dem Unglück der «Fukuryu-Maru»-Besatzung kam der Film von Ishiro Honda in die Kinos. Gojira, so der Originaltitel des ersten Godzilla-Films von 1954, ist in der japanischen Version ein für die damalige Zeit nicht nur tricktechnisch beeindruckendes, sondern auch hinsichtlich der Handlung und Dramatik durchdachtes filmisches Werk. Auch in der heutigen Zeit kann man es sich noch ansehen, ohne dass die technischen Mängel beim Zuschauer das Gefühl der unkalkulierbaren Bedrohung schmälern. Beim Publikum wurde «Godzilla» rasch zu einem unerwarteten Erfolg. In kurzer Zeit wurden über neun Millionen Eintrittskarten verkauft.
Unter
Cineasten und Filmkritikern jedoch war Godzilla wegen seiner primitiven Machart
zunächst als billiger Science-Fiction-Klamauk verschrien. Im Laufe der Jahre
änderte sich diese Sichtweise und Godzilla schaffte es sogar ins Feuilleton
namhafter Zeitungen und Zeitschriften. Spätestens mit der Einreihung Gojiras in
das Science Fiction-Grundmodell aus Susan Sontags Essay `The Imagination of
Disaster` wurde «Godzilla» zu einem Meilenstein technikkritischer Science
Fiction. Godzilla ist ein echsenähnliches Ungeheuer, das durch Atombombentests
wiedererweckt aus dem Meer kommt. Der fünfzig Meter grosse Godzilla hat ganze
Eisenbahnzüge im Maul und zermalmt Gebäude und Hochspannungsmasten. Der
Tricktechnik ist die einfache Machart anzusehen. Die Zerstörungskulisse ist
primitives, wackeliges Spielzeug. Aber darauf kommt es nicht an. Wie der Film dramaturgisch
Neugier, Bestürzung, Ratlosigkeit und schliesslich nackte Angst vor der
unbekannten Bedrohung aus dem Nichts entwickelt, ist eindrucksvoll. Teruyoshi
Nakano, der Assistent und Nachfolger des Godzilla-Schöpfers Tsuburaya, war für
viele dieser Spezialeffekte verantwortlich. In einem Interview sagte er 2012:
"Japan ist das einzige Land, in dem Atombomben abgeworfen wurden. Godzilla war ein Kino-Manifest gegen
den Einsatz von Nuklearwaffen, das Japan damals an die gesamte Welt richtete.
Das Monster ist ein Kind der Atombombe" (Quelle: Jörg Buttgereit, Monster
aus dem Meer).
Das Remake ist ein ernsthaft gedrehter Film und wie schon 1954 wird das Kino wieder zum Katalysator realer Ängste. In dieser Version ist Godzilla nicht das eigentlich Böse. Die Bösen sind sogenannte Mutos (Massive Unidentified Terrestrial Organisms), Parasiten, die sich von radioaktivem Abfall ernähren und bald Las Vegas und San Francisco existentiell bedrohen. Godzilla ist der Gute, der Freund an der Seite des Menschen, der vor den Mutos warnen und sie bekämpfen will.
Godzilla zwischen USA und Japan
Der erste Ur-Godzilla spielt ausschließlich in Japan und bezieht sich direkt auf einen durch die USA verursachten Atomunfall am Bikiniatoll. Am Ende steht die Zerstörung Tokios. In Gareth Edwards aktueller Verfilmung beginnt die Geschichte ebenfalls in Japan verursacht durch einen Störfall in einem Atomkraftwerk, der deutlich an die Katastrophe von Fukushima erinnert. Hier steht am Ende die Zerstörung von San Francisco aber nicht durch Godzilla, sondern durch eine hochhaushohe, insektenartige Kreatur, die sich von atomaren Strahlungen vorzugsweise in der Wüste von Nevada, wo die USA ihren Schrott aus sieben Jahrzehnten nuklearer Forschung und Kriegsführung lagern, ernährt.
Die Geschichte führt dann von Japan über die Wüste von Nevada bis nach San Francisco. Godzilla verfolgt die bösen Mutos. Das ist die geniale Wendung in der Dramaturgie des Films: Godzilla, einst das Schreckbild einer auf entfesselter Atomenergie bauenden Gesellschaft, wird hier zum Retter einer Welt, die inzwischen in ihrem nuklearen Müll versinkt. Godzilla ist ein Guter. Der Kampf der Kreaturen vor dem Hintergrund der Gefahren der Nukleartechnologie entwickelt sich diesmal zur transpazifischen Angelegenheit.
Die Warnung bleibt
Die «Daigo Fukuryu-Maru» befindet sich heute in einem für sie errichteten Museum im Hafen von Tokio. Ebenfalls in Tokio erinnert eine kleine, bronzene Godzilla-Statue an die nukleare Gefahr. Die in den Sockel eingravierte Warnung, die Dr. Yamane im Ur-Godzilla aussprach, halten zum Glück sehr viele Menschen in aller Welt nach wie vor für aktuell.
"Wenn wir in maßloser Vermessenheit fortfahren, die Atomkraft zu missbrauchen", hieß es damals, "kann es sein, dass größeres Unheil über uns hereinbricht als dieser Godzilla."
Fotos/Montagen: Fred Tille
Weiterführende Links:
Godzilla | All movies (1954-2014) Full scenes and transformations
Fukushima aktuell: News zur aktuellen Lage im AKW Fukushima