Junge ägyptische Streetart-Künstler nutzen die Mauern Kairos als Wandzeitungen der Revolution | Ein Film von Marco Wilms
Kann man Kunst und Politik zusammenbringen? Eine Fragestellung, die von unserem westlich geprägten etablierten Kunstbetrieb oftmals mit einem klaren „Nein“ beantwortet wird. Doch wo endet die Politik? Wo beginnt die Kunst? Alltag und Kunst dürfen nicht miteinander verschmelzen, fordern die Vertreter, die sich gegen eine politische Vereinnahmung von Kunst wehren. Im Gegenteil: Kunst sollte autonom, frei von Absicht und völlig nutzlos sein. Kunst soll nichts vorspiegeln, keine Geschichten erzählen und keine Wirklichkeit abbilden.
Für die jungen ägyptische Streetart-Künstler
und Maler, die Marco Wilms in seinem Dokumentarfilm „Art War“ portraitiert,
stellen sich diese akademischen Fragen nicht. Für sie schließen sich
Künstlersein und politischer Aktivismus nicht aus. Im Gegenteil: Sie stellen
ihre künstlerischen Fähigkeiten bewusst in den Dienst der Revolte.
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Filmplakat als Werbepostkarte ausgelegt im Kino Moviemento | Berlin-Kreuzberg |
Nachts tauchen sie im Dunkel von
Kairos Gassen ab. Mit Stencils sprühen sie Steckbriefe von Polizisten an die
Wände. Der Film schildert z.B. wie sich im November 2011 ein Künstler unerkannt
unter die Scharfschützen mischt und einen Polizisten dabei beobachtet, wie er
neunzehn Demonstranten in die Augen schießt. Er fotografiert ihn. Die Künstler
verbringen die nächsten Nächte damit, sein Konterfei an die Wände der Stadt zu
sprayen: „Wanted“. Die Bevölkerung sucht und findet ihn. Er wird bei den
Behörden angezeigt und rechtskräftig verurteilt. Hier fallen Leben und Kunst
unmittelbar zusammen.
Die Stärke von Marco Wilms Film besteht darin, die Revolte konsequent aus der Sicht und den Aktionen der Künstler zu zeigen. Art und War. Marco Wilms begleitet junge Künstler in der Zeit nach dem Sturz Mubaraks bis zur Entmachtung des Präsidenten Mursi und der Muslimbrüder durch das Militär. Die Künstler gehen für ein freies Ägypten auf die Strasse. Sie leben gefährlich. Sie sind körperlichen Angriffen und sogar Folter ausgesetzt und ihre Arbeiten werden immer wieder übersprüht.
Die Stärke von Marco Wilms Film besteht darin, die Revolte konsequent aus der Sicht und den Aktionen der Künstler zu zeigen. Art und War. Marco Wilms begleitet junge Künstler in der Zeit nach dem Sturz Mubaraks bis zur Entmachtung des Präsidenten Mursi und der Muslimbrüder durch das Militär. Die Künstler gehen für ein freies Ägypten auf die Strasse. Sie leben gefährlich. Sie sind körperlichen Angriffen und sogar Folter ausgesetzt und ihre Arbeiten werden immer wieder übersprüht.
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Quelle: Werbepostkarte aus dem Moviemento Kino | Berlin-Kreuzberg |
In Ägypten sind alle dissidenten Gruppen von Gegnern umzingelt. Das Mubarakregime tötete die Demonstranten, die Muslimbrüder jagen die Künstler, das Militär bekämpft die Muslimbrüder, die Künstler bejubeln das Militär. Die Graffitis auf den Wänden der Stadt dokumentieren das Trauma einer ganzen Generation. In gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen verschwimmen die Grenzen zwischen kreativem Widerstand und politischem Aktivismus. Immer wieder fragen sich die Künstler, wo endet die Politik, wo beginnt die Kunst und ob das, was sie machen überhaupt sinnvoll ist. Bahia Shehab, eine der Künstlerinnen, die in ihren Arbeiten das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung und Selbstbestimmung fordert, antwortet darauf: "Ein junger Mann sagte mal zu mir, dass wenn er sehr niedergeschlagen ist und dann diese Bilder auf der Strasse sieht, dann gibt ihm das Hoffnung“.
Weiterführende Links:
ZDF Aspekte: Unerschrocken | Die ägyptische Street-Art von Bahia Sehab