Privater Kunstblog zum Thema:

Künstlerisches Handeln in Zeiten globaler Umbrüche


Die Welt von heute scheint aus den Fugen geraten. Sie ist durch große Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Fragilität, Krieg und Flucht, Terror und Gewalt geprägt. Damit ist die Entwicklung unserer zukünftigen Lebenswelten wieder zu einem bedeutsamen Schwerpunkt in der Kunst geworden. Auch die Erkenntnisse und Prognosen der Techniksoziologie und der Zukunftsphilosophie werden zunehmend als Gegenstand der Kunst entdeckt. Die bildende Kunst, das Theater, die Literatur und der Film reagieren darauf auf unterschiedliche Art und Weise. Mich beschäftigt die Frage, wie kann sich der Künstler, der ja Teil dieser Entwicklungen ist, den sich daraus ergebenden existentiellen Herausforderungen sinnvoll nähern? In diesem Zusammenhang möchte ich meine Bilder aus der Zeit um 5 nach 12 in lockerer Folge vorstellen. Texte zu den globalen Auswirkungen des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ergänzen diese bildlichen Darstellungen. Über Reaktionen von Künstlern, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, würde ich mich freuen.


Samstag, 24. Juni 2017

MENSCH, WAS NUN ? Review auf eine Ausstellung

Mensch, was nun? Wenn Grenzen erreicht werden. Überschritten werden – gedankenlos, planlos, ohne Vision. Wenn Hybris den Blick verstellt. Welche Zukunft wartet? Wie viel Selbstbestimmung bleibt uns? Gebrochene, erschütterte Lebenswege, verlorene Perspektiven. Ratlosigkeit. Schicksalsergebenheit? Die Ausstellung stellt fundamentale Fragen nach den Möglichkeiten des in die Krise geratenen Individuums.


Eine Ausstellung mit 10 Künstlern vom  11.09.2016 bis 09.10.2016 
in der Schinkelkirche von Petzow/Werder.  

AUSSTELLENDE KÜNSTLER

DEJO Denzer 
Ellen Ernst 
Ekhard Gaede 
Olaf Kaminski 
Krystyna Kauffmann 
Helga Lehner 
Dietmar Steinkamp 
Fred Tille 
Gabriele Tille-Tagge 
Thomas Wiersberg


DEJO Denzer
Geboren und aufgewachsen in Ratingen / NRW Biologiestudium und Promotion in Bonn 1996 
Umzug nach Berlin 1998 
Atelier in Schönwalde 
Seit 1976 Ausstellungen deutschlandweit, USA, Frankreich
Seit 2000 Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins Kulturpunkt STILUS e.V.


Was nun, Mensch?
Bei dem Titel hatte ich sofort den Film: “Halt auf freier Strecke“ des deutschen Regisseurs Andreas Dresen aus dem Jahr 2011 im Kopf.

Es handelt sich um das Drama eines Berliner Familienvaters, der langsam an einem Hirntumor verstirbt. Eine ausweglose Situation, die anfangs sehr theoretisch die unausweichliche Entwicklung aufzeigt und schließlich immer realer wird.

Eine Situation die deshalb so beklemmend ist, da sich jeder plötzlich in einer solchen Situation wiederfinden kann. Ich setzte diese Situation mit Röntgenbildern um, die zeigen, was man sonst nicht sieht und eine Erkenntnis für den Betroffenen in sich birgt, die genau dem Titel der Ausstellung entsprechen.

Ellen Ernst
Geboren in Berlin, wo sie lebt und arbeitet.
Acryl- und Ölmalerei, Mischtechniken mit Spachtelmassen und Collageelementen.
Seit 1998 zahlreiche Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in Berlin und Brandenburg.

Erwartung

Zeit der Stille

Zeitlos

Höher, Schneller, Weiter - heißt die Devise der Selbstoptimierer, Überflieger, Perfekt-Timer und Zielerreicher. Grenzenlos die Erwartungen, scheinbar grenzenlos die Möglichkeiten optimal vermessen und analysiert beim Selftracking per Smartphone und Lifelogging-App. 

Heute ist längst von gestern. Aber wohin führt uns das, wonach wir gerade streben? Überholspur zum Glück oder auf der Strecke bleiben? Worauf kommt es wirklich an? Und was wollen wir weitergeben und für spätere Generationen erhalten?

Ekhard Gaede
Geboren in Potsdam/Babelsberg, lebt in Berlin. 1966 Beginn der fotografischen Tätigkeit.
Veröffentlichung von Fotografien im Reiseführer „Thailand“ des Verlages „Scheuble & Baumgartner“, 1990.
Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen in Berlin und Brandenburg



Und was nun?
Gerettet aus den idyllischen Fluten der Meere, gestrandet an den Gestaden Europas, eingewandert in die Hoffnung – wie auch jene, denen man oftmals, mehr oder weniger, teilnahmslos zuschaut, wie sie sich durch den Großstadtdschungel schlagen und im Treibsand steckenbleiben.

Sie alle, ob Flüchtlinge, Obdachlose oder Arbeitslose, kämpfen um ihre Würde, um ein anerkennendes Miteinander in unserer Gesellschaft. Geben wir ihnen die Chance, es zu verwirklichen!

Olaf Kaminski
Geboren 1950 in Berlin. Studium an der HdK Berlin und der Uni Hildesheim. Malt, zeichnet, illustriert Bücher und Plakate. Arbeitet als Musiktherapeut in Berlin.

Nostradamus

Profanes zum Thema
Nur der Mensch ist menschlich. Er will gut sein und kämpft jeden Tag gegen seine Dämonen. Nichts Böses soll in meinen Gedanken sein. In den Fabeln La Fontaines und in Maupassants Le Docteur Héraclius Gloss übernehmen die tierischen Protagonisten ausgerechnet die hässliche Seite der Menschlichkeit. Gier, Missgunst, Stolz und Arroganz zeichnen sie aus. Ich präsentiere die Abstrahierung eines Pferdekopfes mit menschliche Zügen.

In Jonathan Swifts Satire verhandelt Gulliver mit den über die Menschen (Yahoos) regierenden Pferden und bietet sein Taschenmesser für eine kleine Gefälligkeit zum Tausch an, Diese Szene und das bizarre Auftauchen Nostradamus‘ in Heinrich Manns Roman Henry IV, bei dem er dem siebenjährigen vor ihm stehenden nackten Prinzen seine Zukunft als König von Frankreich voraussagt, habe ich bei der Arbeit an meinem Bild im Hinterkopf.

Mir gefällt die Vorstellung Peter Sloterdijks: der Mensch als Schwebewesen in Räumen, die kein Physiker kennt (Sphären Bd.1). Eine Chance für Empathie und Menschlichkeit? Doch schon fällt mir Madame Ming ein: „La vérité m‘a toujours fait regretter l‘incertitude .“Die Wahrheit lässt mich immer der Ungewissheit nachtrauern. (Éric-Emmanuel Schmitt)

Krystyna Kauffmann
Geboren in Graudenz an der Weichsel. Lebt und arbeitet in Caputh am Schwielowsee. Buchautorin, Kuratorin und Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie.

Jakob

Bewahre meinen Stress!
Ein Toter und fünf für immer gezeichnete Opfer bei einem Medikamententest - im Namen des Guten für die Menschheit. Bei dem getesteten Medikament bestand die gewünschte Wirkung in der Heilung von Stresszuständen und somit die Erlangung beinah perfekter Seeligkeit. 

Es sollte den eigenen Antistress-Mechanismus des Menschen auf Volldampf bringen und Leiden wie Schmerzen, Depressionen, Übergewicht, Angstzustände und sogar Schizophrenie würden einer friedlichen Entspannung weichen.

Ein Toter und fünf Probanden mit schweren, irreparablen neurologischen Symptomen als Folge von Hirnblutungen und abgestorbenem Hirngewebe sind der Preis der Forschung auf dem Weg der Erkenntnis, dass es möglicherweise Grenzen gibt, den Menschen in ein fügsames, friedliches Wesen zu verwandeln. 

Ein stressfreies Leben – ein Traum der Science Fiction. Keine „negativen“ Emotionen, niemals wütend, keine Angst, perfekte Figur, keine Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit, um meine Überzeugung um meinen individuellen Wert in der Gesellschaft.

Bewahre Deinen eigenen Stress. Taste meine Cannabinoide nicht an! Lasse mich frei für: Zweifel Angst Trauer Wut Flucht

Teil 2 Review folgt demnächst

KULTURPUNKT STILUS
Der Kulturpunkt Stilus e.V. ist eine Gruppe von Künstlern, die in den verschiedensten Kunststilen und Ausdrucksformen arbeiten. Dabei ist der gesellschaftskritische Bezug bei vielen der Künstler essentiell. Allen gemeinsam ist es, Vielfalt und Toleranz als Stärke zu verstehen und so neue Sichtweisen zu entwickeln. Die Darstellung von Disharmonien und Konflikten bildet ein weiteres zentrales Moment der Arbeiten der Stiluskünstler, die sich in diesem Jahr das Thema „Mensch, was nun?“ gestellt haben.


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